Caserta ist eine Mischung aus mafioser Bauspekulation und barockem Größenwahn, graue Siebzigerjahreklötze verdrängen rosafarbene Palazzi, und wie eine Luftspiegelung taucht am Ende der Via Roma der Königspalast auf, die Residenz der Bourbonen. Es ist früher Nachmittag, in einer Gasse verwandelt sich ein Pizzabäcker für seine Enkelin in einen mehlbestäubten Pulcinella, auf der Piazza sitzen ein paar alte Männer auf Plastikstühlen unter den Ficusbäumen – und blicken nicht auf, als der Schauspieler Toni Servillo die Straße überquert. Servillo hat Italiens Makeln ein Gesicht gegeben, dem skrupellosen Müllmanager in „Gomorrah“, dem siebenfachen Ministerpräsidenten Andreotti in „Il Divo“, dem mafiosen Pizzabäcker in Deutschland in „Ein ruhiges Leben“ – und ist jetzt einfach nur ein Mann in einer graubraunen Cordjacke. Den jedoch ein junges Mädchen erkennt und sich für ein Erinnerungsfoto strahlend an ihn schmiegt.
Servillo ist Autodidakt, seine Schule war das Leben in Caserta und Neapel, wo auf jedem Zentimeter menschliche Komödien aufgeführt werden. Seine Karriere begann in der alternativen Theaterszene Neapels – der er sich bis heute verpflichtet fühlt. Servillo ist nie aus Caserta weggezogen, seiner süditalienischen Heimat ist er stets treu geblieben, wie einem Verwandten, den man nicht im Stich lassen kann, nur weil er kurzzeitig in Schwierigkeiten geraten ist. Die Zugehörigkeit ist ihm wichtig, das Wissen, woher man kommt, und das mit der Rückschrittlichkeit der Lega Nord nicht zu verwechseln sei.
Es beleidigt ihn, wenn die italienische Politik mit einem Theater verglichen wird, denn Theater sei nobel und das, was jetzt in Italien stattfinde, eine Schmierenkomödie. Die ganze Welt beneide Italien um seine Filme, seine Musik, seine Kunst – aber anstatt die Kulturgüter wie einen kostbaren Rohstoff zu hüten, wird der Kulturetat um ein Drittel gekürzt. Es sei erniedrigend zu sehen, wie tief Italien gesunken sei, die moralische Korruption, die jahrzehntelange Gehirnwäsche durch das Fernsehen, alles drehe sich nur noch um Kaufen und Verkaufen: „Es gibt keine Rettung.“
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