Gestern nachmittag stand ich in einem Mailänder Zeitungskiosk und traute meinen Ohren nicht, als im Radio die Nachricht verkündet wurde, dass Salvatore Cuffaro, der ehemalige sizilianische Regionalpräsident und jetzige Senator, als Gehilfe der Mafia letztinstanzlich verurteilt worden sei – und seine Haftstrafe im römischen Gefängnis Rebibbia angetreten habe.
Ich habe mich Cuffaro nicht nur in diesem Blog gewidmet (zum Beispiel hier und hier und hier), sondern ihn auch persönlich getroffen, auf seiner Wahlkampfreise durch Sizilien – als sich sein Antlitz noch über verrottete Mauern wölbte, von Stellwänden herablächelte und es sogar bis zur Heiligen Rosalia geschafft hatte, hoch oben auf den Monte Pellegrino, dort, wo Palermo den Himmel mit den Fingerspitzen berührt und wo seine mit Juwelen überhäufte Schutzpatronin in einem gläsernen Sarkophag ruht. Cuffaros Gesicht war so rund und weich und glatt, als hätte dieser Mann seit seiner Geburt nichts erlebt, was seine Zuversicht hätte trüben können. „Totò Cuffaro: Der Präsident, der Sizilien und die Sizilianer liebt“, stand auf dem Aufkleber.
Als Journalistin, die den Regionalpräsidenten Cuffaro nach seinen Mafiaverbindungen fragen wollte, war ich natürlich nicht erwünscht. Zwei Wochen lang folgte ich ihm bei seinen Reisen über die Insel – und wurde freundlich, aber bestimmt abgewiesen. Als ich wieder mal auf ihn wartete, dieses Mal vor der Kirche der Maria Santissima dei Miracoli, kam ich auf die Idee, mit dem Präsidenten per pizzino zu kommunizieren, mit jenen kleinen Zettelchen also, mit denen sich auch der Boss Bernardo Provenzano aus dem Untergrund mit seinen Mafiosi zu verständigen pflegte. Hochverehrter Präsident, schrieb ich, bitte gewähren Sie mir ein Interview – für die Maria Santissima und für Deutschland! Dieser klein gefaltete Zettel wurde während der Messe von Hand zu Hand bis zum Präsidenten weitergereicht. Als der Präsident aus der Kirche trat, winkte er mich hoheitsvoll zu sich – und stellte sich meinen Fragen. Um ihnen ebenso hoheitsvoll auszuweichen.
Am nächsten Tag war im Giornale di Sicilia zu lesen, dass eine deutsche Journalistin den Präsidenten auf das Minenfeld der Anti-Mafia-Bekämpfung gezerrt habe.
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