In San Luca, jenem kalabrischen Dorf, aus dem die Toten des Massakers von Duisburg stammten, fand gestern ein „Anti-‘Ndrangheta-Marsch“ statt – angeführt vom nationalen Anti-Mafia-Ermittler Piero Grasso. Die Frauen des Dorfes nahmen dies zum Anlass, auf Transparenten und Plakaten „wahre Gerechtigkeit“ zu fordern – etwa für Giuseppe Pelle, einen der beiden mutmaßlichen Killer von Duisburg, der seit August letzten Jahres steckbrieflich gesucht wird. Um ihre Verbundenheit zu demonstrieren, trugen seine Mutter und andere Frauen aus der weitläufigen Verwandtschaft sogar T-Shirts mit dem Fahndungsfoto von Giuseppe Pelle.
Wie immer, wenn Verhaftungswellen die Clans (vorübergehend) schwächen, treten die Frauen in die Öffentlichkeit. Ein gezielter Stich ins Mutterherz funktioniert in Italien immer.
In der ‘Ndrangheta spielen die Frauen eine fundamentale Rolle: Wie in der sizilianischen Cosa Nostra und in der neapolitanischen Camorra, sind es auch in Kalabrien die Frauen, welche die Mafiakultur von Generation zu Generation weiter tragen, es sind die Mütter, die nach Blutrache verlangen, das Gedenken an die Toten aufrecht erhalten und ihre Söhne für das Leben in der ‘Ndrangheta vorbereiten. Es sind die Frauen, die im Alltag die Geschäfte ihrer abwesenden Männer verwalten, Flüchtige verstecken, die Verbindung zwischen inhaftierten Bossen und dem Clan aufrechterhalten – womit sie sich sogar den Ehrentitel einer sorella dell’omertà verdienen können, einer „Schwester der Verschwiegenheit“.
„Viele Unglücke, viele Tragödien des Südens sind von den Frauen gekommen, vor allem wenn sie Mütter werden“, sagte der sizilianische Schriftsteller Leonardo Sciascia.