Wenn ich Italienern gegenüber das Wort „Zweckentfremdungsverbotsgesetz“ ausspreche, werden sie erst mal ohnmächtig. Aber wenn ich ihnen erkläre, was sich dahinter verbirgt, nämlich dass Wohnungen nicht einfach so an Touristen vermietet werden können, so wie in Venedig schätzungsweise 80 Prozent aller Wohnungen, und das auch noch schwarz, dann beleben sie sich ganz schnell wieder. Gestern berichtete die STAMPA über das Aufbegehren der Berliner gegen AirBnB. Wir in Venedig wünschten uns einen winzigen Bruchteil dieses Aufbegehrens. Dann müssten auch nicht mehr so viele venezianische Familien aufs Festland ziehen.
Das schrieb ich vor einem Jahr auf FB. Seitdem wütet die Ferienwohnungspest in Venedig ungebrochen weiter. Wir leben nicht mehr in Häusern, sondern in schlecht geführten Hotels – als unbezahlte Portiers und Hausmeister: Wir stellen den Müll raus, den die Touristen vor der Tür liegen lassen, heben ihre Pizzakartons und Fischreste auf, die aus den Plastiktüten fallen, die sie in den Hof gestellt haben und von den Ratten zerrissen worden sind, wir ertragen, dass in den letzten Monaten zehn (10) Mal Wasser durch die Decke kam, weil die Badezimmer undicht waren oder die Wasserrohre der Klimaanlagen, wir fegen Zigarettenstummel im Hof weg und lassen die Touristen bei uns auf dem Sofa sitzen, weil sie sich aus der Ferienwohnung ausgesperrt haben, was sie erst festgestellt haben, als die Frau, die für die Vermietung der Ferienwohnung zuständig ist, aufs Festland gefahren ist und nicht vor Mitternacht zurückkehrte.
Der römische Ex-Bürgermeister Rutelli, der ja ein so guter Linker ist, hat er natürlich von der Sharing-Economy geschwärmt – und sich gerühmt, Airbnb für Rom erfunden zu haben – weshalb ihn Airbnb als – vermutlich gut bezahlten – Berater angeheuert hat. Hier wird aber nichts geteilt, hier wird kassiert, wobei – ganz legal – sämtliche Gesetze unterlaufen werden, die man sich vorstellen kann: Es gibt es keine Hygiene-Standards, keine Meldezettel, keine Sicherheitsstandards – hier gibt es nur das schnelle Geld, bar auf die Kralle.
Und dann steht die Tür zu unserem Hof auf, eine Frau steht davor, und ich frage sie: „Kann ich die Tür schließen?“
Sie: „Nein.“
Ich: „Entschuldigung, aber wohnen Sie hier?“
Sie: „Nein.“
Ich: „Haben Sie vielleicht eine Ferienwohnung hier gemietet?“
Sie: „Ja.“
Ich. „Entschuldigen Sie, wenn ich Sie gefragt habe, aber inzwischen gehen hier so viele Leute ein und aus, dass man nicht mehr weiß, wer hier wohnt und wer nicht.“
Sie: „So ist eben der Markt.“
Wir leben in zynischen Zeiten.
Schaue gerade Commissario Brunetti „Blutige Steine“,
und finde das eine prima Idee, mal eine Krimiserie
zum Thema „Tourrorismus“ zu drehen. Muss ja nicht von Donna Leon sein.
Was sagen denn die Besitzer der Wohnungen zu dem Chaos ihrer Untermieter?
Können die echten Einwohner nicht mal auf den wunderbar schmalen Treppen Venedigs ein paar gemütliche Sit-ins, mit Picknick-Decken und leiblicher Stärkung und allem, veranstalten, so zur besten Touristenzeit oder so – zur Stärkung des inneren Zusammenhalts Venedigs? 😉
Das Ganze wird dann natürlich mindestens einmal jährlich, ach was sag ich, einmal pro Quartal wiederholt.
Und was sagt denn Donna Leon zu all dem? Ich weiß, dass sie unerkannt in Venedig lebt und dies auch so lassen will, aber unter der Hand?