„Guten Morgen, wir hoffen, du bist gut in dein Wochenende gestartet“, hieß es gestern, am Samstag, was mich an den Gute-Laune-Terror der Radiosender erinnert, die ihre Hörer schon am Donnerstag darauf vorbereiten, sich endlich am Freitagmittag in das wohlverdiente Wochenende fallen lassen zu können. Heute wird es heißen: „Hallo und guten Morgen, wir hoffen, du hast bisher einen tollen Sonntag“, morgen: „Hey, guten Morgen! Wir hoffen, du hattest ein gutes Wochenende. Falls du es nicht auf Blendle verbracht hast: Die Titelgeschichte aus dem neuen SZ-Magazin hat super viele tief berührt …“
Der Blendle-Mensch lebt im Grunde nur von Freitagmittag bis Sonntagabend richtig auf, den Rest der Woche verbringt er angekettet in einem Kellerloch und hofft darauf, dass Blendle ihm einen Longread hinwirft, einen faszinierenden Deep-Dive oder einen dramatischen, neuen Must-Read, der ihm hilft, das Leben auch während der Woche zu ertragen, speziell in der nach dem B-Day: #Brexit: Diese Analyse wird dir helfen.
Habt Ihr sie noch alle?
Natürlich wünscht sich jeder Journalist so viele Leser wie möglich, aber muss das in diesem Dumm-Deutsch sein, das klingt wie Leute sprechen, die eine Überdosis Latte intus haben und die Welt nur aus google street view kennen?
Sicher, die Situation ist dramatisch, umsonst geht nicht, im Journalismus, andererseits will sich nicht jeder mit einem Blatt verheiraten (paywall klingt wie Kalter Krieg), nur weil er mal hier und da ein paar Artikel lesen möchte. Und da hatte ein kluger Niederländer (Remember: Wer hat den Kupferdraht erfunden? Zwei Holländer, die sich um einen Pfennig stritten) die Idee mit Blendle.
Tunes für Journalismus, meinen die einen, die anderen sehen darin mehr Airbnb oder Uber – der die Redaktionen, die sich jetzt Blendle an die Brust schmeißen, langfristig auffressen wird.
Journalismus wird von Blendle kuratiert, was ein schöneres Wort dafür ist, dass man nur das liest, was man schon gelesen hat – vulgo, sich in einer Filterblase befindet. Die Kuratoren schreiben mich immer persönlich an, am Anfang lang war es Marten selbst („Hey, ich bin der Gründer von Blendle, und wollte dir kurz ein Geschenk schicken“ – Hey, Marten, an der Zeichensetzung müssen wir noch arbeiten: Komma nur vor einem Nebensatz, der aus Subjekt, Prädikat und Objekt besteht). Marten wurde von einem Michaël mit zwei Punkten über dem e abgelöst, von dem ich jetzt allerdings auch schon lange nichts mehr gehört habe. Wahrscheinlich habe ich nicht genug klasse Texte gekauft, weshalb ich in der unpersönlichen „Das Beste auf Blendle“-Kiste gelandet bin.
Und in Italien gibt es das auch schon, in Form von Blasting News, wo mich eine Irma Galgano mit Mails bombardiert, deren Foto aussieht wie diese Fake-Profile auf Facebook, die ich immer sofort in dem Spam-Ordner versenke, wenn sie mich um Freundschaft bitten.
Ja, schwere Zeiten für den Journalismus. Aber: Egal. Jedenfalls für Blendle: Hey, happy Weekend. Wir hoffen, du hast bisher einen tollen Sonntag.