Und gestern, nach der Lektüre dieser Besprechung, beschloss ich sofort, für Die Presse eine Kerze anzuzünden …
Die deutsche Journalistin Petra Reski gießt ihr Wissen über das organisierte Verbrechen in Romane. Mit einer kompromisslosen Staatsanwältin, hart an der Realität – und mit Witz.
13.02.2016 | 17:56 | von Helmar Dumbs (Die Presse)
Es war keine rasend gute Woche für die Mafia: 109 Festnahmen allein am Mittwoch auf Sizilien. Zudem gelang der Polizei bei Neapel ein Schlag gegen einen der ältesten Camorra-Clans. Endlich einmal wieder gute Nachrichten aus dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen, wäre man versucht zu sagen – hätte man nicht die beiden Romane von Petra Reski intus, deren zweiter mit dem Titel „Die Gesichter der Toten“ kürzlich erschienen ist.
Denn der gelernte Reski-Leser weiß: In diesem Kampf gibt es so gut wie keine guten Nachrichten, nur etwas, was zunächst danach aussieht. Ein vermeintlicher Ermittlungserfolg kann da ganz schnell ins Gegenteil kippen – oder eine Verhaftung sich als Täschungsmanöver entpuppen, als Nebelgranate für das applaudierende Publikum. Bühnenreif vorgegaukelte Aktivität, um gegen die wirklichen Strippenzieher in den Clans nicht vorgehen zu müssen. Nicht zuletzt, weil die Bosse zu viel wissen: über die Verstrickungen der Politik und der Sicherheitsbehörden, in deren schützende Hände sie lohnend investiert haben. Staatliche Organe sind in diesem Geflecht mitunter nicht die Gegenspieler der Mafia, sondern geradezu deren Tentakel.
Nicht, dass das unbekannt wäre. Nicht, dass dieser Ansatz in Mafia-Krimis neu wäre. Es ist die Konsequenz und Härte, mit der Petra Reski diesen durchzieht, was ihre Bücher aus der breiten Masse heraushebt. Die unheilige Allianz zwischen Politik und organisiertem Verbrechen wurde auch immer wieder von Donna Leon und anderen evoziert, doch wo diese Autoren aufhören, da fängt es bei Reski erst an.
Kampf gegen Hydra. Konsequenz und Härte, mit diesen zwei Attributen ist auch ihre Heldin, die leitende Staatsanwältin Serena Vitale, ganz gut umrissen. Sie ist nicht direkt das, was man eine sympathische Person nennen würde. So zielstrebig und unerbittlich sie sich in die Jagd auf die Bosse verbeißt, so kompromisslos kalt gestaltet sie ihr Privatleben, und man fragt sich eigentlich nur: Hat der jahrelange Kampf gegen die Hydra des organisierten Verbrechens ihre Persönlichkeit geformt, oder ist diese Persönlichkeit nicht vielleicht umgekehrt die Voraussetzung, diesen Kampf überhaupt so lang durchzustehen?
Denn es ist ein zermürbender Kampf, bei dem nicht alle auf der Seite stehen, auf der sie stehen sollten. Immer, wenn man glaubt, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, dreht Reski die Schraube noch eine schmerzhafte Umdrehung weiter, und ihr gelingt dabei das Kunststück, durchwegs glaubwürdig zu bleiben. Das liegt daran, dass die Autorin seit Jahren als Autorität in Sachen Mafia gilt und mit dem Roman „Palermo Connection“ 2014 nach mehreren Sachbüchern zwar das Genre, nicht aber das Thema gewechselt hat. Man vermeint auf jeder Seite zu spüren, wie beklemmend nahe das Geschriebene an der Realität ist.
So nahe, dass diese Bücher eine gehörige Portion Humor als Gegengift vertragen – und von der ihre Pointen meist sicher setzenden Journalistin auch bekommen. Meist, denn manchmal geht die Lust an der griffigen Formulierung mit der Autorin durch, und nicht jedes Bild gelingt so wie jenes der zwei Beamten, die dastünden wie „Tick und Trick ohne Track“.
Geradezu schreiend komisch sind die ironischen Seitenblicke und -hiebe auf die Welt und die Arbeitsbedingungen des Journalismus. Es gibt neben der Staatsanwältin Vitale nämlich noch einen zweiten Helden bzw. eher Antihelden: den deutschen Reporter Wolfgang Widukind Wieneke, dem die Mafia mehr oder weniger passiert, der sich dann aber – auch wenn ihn und Vitale sonst nicht viel verbindet – auf seine Weise ebenso in das Thema verbeißt wie die Italienerin. Und so erfährt man ganz nebenbei mehr über den Journalismus als in einem Roman, der ihn wie Tom Rachmans „Die Unperfekten“ explizit zum Thema macht.
Unperfekt ist dafür die Titelgestaltung: „Palermo Connection“ gewinnt wohl keinen Originalitätspreis, und „Die Gesichter der Toten“ ist eine so willkürliche wie nichtssagende Entnahme aus dem Text. Das mindert den Lesegenuss freilich nicht im Mindesten.