Lutscher-Journalismus ???

Heute bemühte sich die Süddeutsche Zeitung mal wieder darum zu beweisen, dass die Renzi-Propaganda kein italienisches Privileg bleiben muss. In Italien nennt man so etwas auch „Lutscher-Journalismus“ – den nicht mal der meinen Lesern vertraute Wolfgang W. Wieneke über sich gebracht hätte.

Meinung, 13.10.2015

Profil

Maria Elena Boschi
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Von Oliver Meiler

Von all den Namen, die man Maria Elena Boschi angedeihen lässt, und gerade in Männerköpfen scheint sie die Fantasie zu stimulieren, bleibt ein hübscher hängen: Fidanzata d’Italia – Verlobte Italiens. Die Wunschschwiegertochter des Landes. Bedenkt man die Rolle, die dieser Juristin aus der Toskana zufällt, sind wohlwollende Prädikate freilich eher erstaunlich.

Maria Elena Boschi ist als Ministerin für die Verfassungsreformen und die Beziehungen zum Parlament zuständig. Sie begleitet den größten Umbau der politischen Institutionen Italiens seit Jahrzehnten, eine Neuordnung der Fundamente in einer reformresistenten Republik. Sie erklärt, verhandelt, vermittelt. Nun findet im Senat nach langer Zerreißprobe die letzte Abstimmung statt. Danach soll Italien leichter regierbar und der Gesetzgebungsprozess schlanker gestaltet sein. Es ist dies ein alter Traum. Die Reform trägt Boschis Namen – Legge Boschi. Und die Namensgeberin ist gerade mal 34 Jahre alt. Vor einigen Jahren, im damals noch geriatrischen italienischen Politbetrieb, wäre eine solche Karriere unmöglich gewesen.

Boschi ist, was man eine Renziana DOC nennt, eine liniengetreue Vertraute von Premier Matteo Renzi. Sie gehört zum innersten Machtzirkel des Ministerpräsidenten, und das seit dessen florentinischen Anfängen – oder fast. Als Renzi sich einst für eine Spitzenkandidatur der Linken für das Bürgermeisteramt von Florenz bewarb, unterstützte Boschi noch dessen Rivalen. Der Rivale unterlag, der Fauxpas war schnell vergessen. Boschi arbeitete damals, frisch von der Universität, in einer renommierten Anwaltskanzlei, ließ sich aber bald abwerben. Die Lust an der Politik hatte sie von ihren Eltern geerbt, beide aktive Mitglieder der Democrazia Cristiana.

Als Renzi sich dann als „Verschrotter“ der alten Politikerkaste gebärdete und im Camper durch 108 Provinzen tourte, da fuhr Boschi mit. Sie verwaltete seine Agenda, gab ihr ein Gesicht. Nach ihrer Wahl ins Abgeordnetenhaus verlieh man ihr den inoffiziellen Titel einer Miss Parlamento. Doch Schönheit gilt ja als suspekte Kategorie. Als sie zur Ministerin berufen wurde, hieß es allenthalben: „Ja, dann mal viel Glück!“ Zu aussichtslos erschien das große Unterfangen zu sein, zu unerfahren die Architektin des Umbaus. Da beschränkte man sich lieber aufs Sekundäre. Die Zeitungen analysierten ihre Garderobe. Ein bekanntes Männermagazin führte für sie die Rubrik „Macht auf Stöckelschuhen“ ein, weil la Boschi immer nur hochhackig unterwegs ist. Die Klatschpresse entsandte Paparazzi, auf dass sie Bilder der Ministerin am Strand zurückbringen.

Sie lächelte allen Sexismus weg. In den Talkshows überzeugte Boschi mit schnellem, gescheitem, unprätentiösem Reden. Der Mix kam gut an. Von Silvio Berlusconi heißt es, er habe seinen eigenen TV-Emissärinnen aufgetragen, sich Boschis Stil anzueignen. So gewann sie zusehends Gunst und Respekt, in beiden Lagern, und jenseits der Klischees.
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