Vor ein paar Tagen war ich in Malaga – also Costa del Sol, wo neben jeder Menge rotgesichtiger Engländer und rotgesichtiger Holländer (und auch ein paar rotgesichtige Deutsche, sorry, aber definitiv in der Minderheit), vor allem Ndranghetisti und Camorristi vertreten sind, die hier nicht nur ihre Drogengeschäfte abwickeln, sondern auch groß in den Immobilienhandel eingestiegen sind, und das schon seit Jahrzehnten. Weshalb es mich auch nicht verwunderte, dieses Lokal in Malaga zu finden:
Darüber hat man sich in Italien schon letztes Jahr aufgeregt, völlig folgenlos, natürlich. Ich habe über diese Art von Mafiafolklore unter anderem in meinem Artikel über die Mafiapizzerien geschrieben (es geht doch nichts über Autoreferentialität) – natürlich ebenso folgenlos:
Es war die Speisekarte von «Don Panino», die vor kurzem zu einem kleinen diplomatischen Eclat zwischen Österreich und Italien führte: Bei «Don Panino» in Wien konnte man Pizze, Pasta und belegte Brote bestellen, die nach Mafiosi und Mafiaopfern benannt wurden. Angeboten wurden Spezialitäten wie «Don Falcone»: ein mit gegrillter Wurst belegtes Panino, benannt nach dem Anti-Mafia-Staatsanwalt Giovanni Falcone, der 1992 zusammen mit seiner Frau und drei Leibwächtern von der Mafia in die Luft gesprengt wurde. Oder «Don Peppino», das den Namen des von der Mafia ermordeten Anti-Mafia-Aktivisten Peppino Impastato trägt, von dem es auf der Speisekarte hiess: «Der grossschnäuzige Sizilianer wurde bei einem Bombenattentat gebacken wie ein BBQ-Hähnchen.»Das italienische Aussenministerium protestierte, in Wien ansässige Italiener sammelten Unterschriften, die Präsidentin der europäischen Anti-Mafia-Kommission forderte, die Nutzung des Begriffs «Mafia» zu kommerziellen Zwecken zu verbieten. Bald darauf outete sich ein Werbeexperte mit italienischen Wurzeln, süditalienischem Wohnsitz und niederländischem Pass als Urheber und verteidigte sich gegen die Vorwürfe, Mafiaopfer verhöhnt zu haben: «Ich wollte niemanden beleidigen. Der Kunde hat mich gebeten, ein Produkt zu lancieren, das attraktiv sein könnte, und ich habe die ‹Don Panino›-Kampagne aufgrund dieser Anweisungen entworfen.» Zwei Tage später war die Sache vergessen, und vermutlich fragte sich mancher: Wo war eigentlich das Problem, schliesslich gibt es kaum eine Stadt ohne eine Pizzeria «Don Corleone» oder Lokale mit «Pizza Camorra» oder «Pizza Mafia» auf der Karte? Man wird wohl noch einen kleinen Witz machen dürfen? Solange über die Mafia gelacht wird, existiert sie nicht. Das wissen die Bosse am besten. Als der aus Palermo stammende italoamerikanische Mafioso Roberto Settineri vor drei Jahren als neuer Botschafter der sizilianischen Cosa Nostra in Amerika festgenommen wurde, betrieb er in Miami die Pizzeria «Soprano’s». Denn nichts schützt die Geschäfte der Mafia besser als dick aufgetragene Mafiafolkore. Die Mafia ist Kult. Es gibt sie als Computer- und Gesellschaftsspiel, als Fernsehserie, und man kann auf Parties zur Mafiamusik tanzen, im Takt zu Liedern wie «Getötet ist der General», in dem das Mafiaattentat auf den General Dalla Chiesa gefeiert wird.
Aber ich möchte doch auf eine echte Marktlücke aufmerksam machen: In Spanien fehlen „ETA-Restaurants“, als Werbeslogan wäre denkbar: „Wir werfen mit Fleischspießen“ oder: „Unsere Steaks sind unser TNT“. Und in Deutschland wären RAF-Restaurants eine Idee, Werbeslogan: „Unser antiimperialistisches Menü ist ein Bombenanschlag auf Ihre Geschmacksnerven“.
Wichtig sind natürlich vor allem vernünftige Preise.