Neulich habe ich mit einem Vierjährigen und einem Fünfjährigen den Film „Turbo“ gesehen, über eine Außenseiter-Schnecke – ein Film, der witziger, klüger und spannender war, als die meisten Wettbewerbsfilme in diesem Jahr. Ja, wir fangen an zu schwächeln. Es fing bei dem Film von Terry Gilliam an, einem Regisseur, der die Monty-Python-Gruppe mitbegründet hat, was mich hoffen ließ. (Ich bin, siehe „Turbo“, leicht zu begeistern) Außerdem hat Gilliam den wunderbaren Film „Der König der Fischer“ gemacht, den ich sehr mochte, und an den sich natürlich die meisten nicht erinnern werden, weil er im fernen Jahr 1991 herauskam, als die meisten Besucher des Filmfests noch gar nicht geboren waren. „The Zero Theorem“ ist – schlecht gemachtes – Kaspertheater. Soll Science Fiction sein, ist aber nur platte Kulturkritik: Böse, böse Smartphone-Computer-Tablet-Welt. Böse, böse Kommunikationsgestörte. Und: Christoph Waltz nackt. Aber selbst das kann den Film nicht retten.
Ich dachte, damit mein diejähriges Soll an Filmen-die-eine-Strafe sind erfüllt zu haben. Zu früh gefreut. Es folgte „Under the skin„. Alienfrau bringt Männer um. Dass es sich um eine Alienfrau handelt, erfährt man aber erst spät – außer man hatte den gleichnamigen Roman gelesen. Bis man es kapiert hat (da war ich schon geflüchtet), sieht man nur eine Frau in einer Kaninchenfelljacke und einer unvorteilhaft eng geschnittenen Jeans (jedenfalls, wenn der Hintern zu dick und die Beine nicht lang genug sind), die Scarlett Johansson verblüffend ähnlich sah, abgesehen von der roten Nase und den Haaren, die so schwarz waren, als hätte sie bei der Tönung vergessen, auf die Uhr zu gucken.
Gianni Amelio wird es rausreißen, dachte ich. Er wird Italien eine Stimme geben, dachte ich. Schließlich hat er „Il ladro dei bambini“ gemacht und auch das Flüchtlingsdrama Lamerica. Dann gab es noch „Cosi ridevano“ (So haben wir gelacht), über die Jahre der Industrialisierung in Italien, mit dem Amelio das Filmfest 1998 gewann. Fand ich zwar slightly pathetisch und zu plakativ, aber gut. Ich bin extra früher aufgestanden, weil ich ahnte, dass die italienischen Kritiker das Kino einrennen würden. Und dann? Ich könnte nicht mal sagen, wovon der Film „Intrepido“ handelt. Angeblich von einem Mann, der jeden Tag eine andere Arbeit macht. Abgesehen von der Unlogik (In einem Lager für Protesen hängen die Arme, Beine und Büsten von Schaufensterpuppen, und man weiß nicht, warum, das Lager eines Schuhladens steckt voller leerer Schuhkartons, und man weiß nicht warum, ein Mädchen nimmt sich das Leben, man weiß nicht warum, sie ist anscheinend berühmt, aber man weiß nicht wofür, der Protagonist ist von seiner Frau getrennt, man weiß nicht weshalb, er nimmt an einem Wettbewerb für irgendwas teil, man weiß nicht woran und warum)
Es war so, wie wenn man als Kind Erwachsenen beim Lügen zuschaut – und sich insgeheim für sie schämt.
Danach habe ich noch den Film „Promesses“ von Patrice Leconte gesehen, nach einer Erzählung von Stefan Zweig. Natürlich war er nicht im Wettbewerb. Warum auch. Er war logisch, er hatte einen Anfang, eine Mitte und ein Ende, man wollte wissen, wie er ausgeht, man bangte mit und war berührt – aber warum berührt sein, wenn man auch Filme sehen kann, wo zwei Männer kastriert werden? (Korea, sage ich nur.)
Mein absoluter Liebling ist immer noch Philomena. Weshalb der Film nichts gewinnen wird. Wie in jedem Jahr wird ein Film gewinnen, den ich nicht gesehen habe oder aus dem ich geflüchtet bin. So gesehen haben sich die Chancen von „Under the skin“ erhöht. Mindestens ein Darstellerpreis wird herausspringen, wetten?