Es ist ein schreckliches Gefühl, wenn man einer Stadt beim Sterben zusieht. Jeden Tag fehlt etwas. Mal ist es ein Gemüsehändler, mal ein Schuster. Jetzt schließt wieder eine Buchhandlung in Venedig, in diesem Fall die Libreria Goldoni.
Sie ist jetzt bereits die vierte Buchhandlung allein im Stadtviertel San Marco, die schließt. Schuld daran ist nicht allein der Verdrängungswettbewerb durch den Internetbuchhandel, sondern vor allem Venedig, wo seit zwanzig Jahren erfolgreich eine Politik betrieben wird, deren wesentliches Ziel darin besteht, die Stadt endgültig von letzten, verkrusteten Resten von Venezianern zu befreien.Wenn eine Ladenmiete über Nacht auf 9000 Euro erhöht wird, dann bedeutet das: Morgen werden in diesem Laden keine Bücher mehr verkauft, sondern Burberry-Mäntel, chinesische Taschen oder 1-Euro-Schrott. So exotische Dinge wie Gemüsehändler, Fleischer oder Bäcker sind hier so gut wie ausgestorben, warum auch nicht, wer sollte die schon brauchen, wenn er mit der Mineralwasserflasche in der Hand durch Venedig läuft?
Aber das, so hat es mir ja mal der ehemalige Bürgermeister von Venedig erklärt, ist eben Marktwirtschaft. Was für jemanden, der seine politische Karriere in der Kommunistischen Partei begann, eigentlich eine erstaunliche Feststellung ist.