Das rätselhafte Sterben der Oliven

In Süditalien verdorren Olivenhaine. Die Regierung und die EU ordnen an, sie großflächig abzuholzen, da sie mit einem gefährlichen Bakterium infiziert seien. Jahrhundertealte Bäume fallen der Säge zum Opfer. GEO-Autorin Petra Reski hat jahrelang recherchiert, um herauszufinden, was wirklich hinter den Massenrodungen steckt – und ist auf einige bemerkenswerte Ungereimtheiten gestoßen

(Meine Reportage aus GEO 12/19)

DER GIGANT IST TOT. Mit seinen kahlen Ästen wirkt er wie das Opfer eines Napalm-Angriffs. Seine Agonie dauerte Jahre. Erst tauchten braune Flecken in seinem Laub auf, dann warf der Koloss nach und nach die Blätter ab.

Der Gigant von Alliste ist ein 1500 Jahre alter Olivenbaum, er steht unweit von Ugento, im Salento, an der südlichen Spitze Apuliens. Die Erde, die ihn hervorgebracht hat, ist schwer und rot. In seinem verknoteten Stamm winden sich die Jahrhunderte: Der Gigant hat die Kriege gegen die Türken überlebt, der Eroberung durch die Normannen getrotzt und den Niedergang des Feudaladels überdauert. Er hat Erdbeben und Feuersbrünsten, Hitzewellen und Extrem wintern standgehalten.

Jetzt soll ihn ein Feind getötet haben, den man mit bloßem Auge nicht erkennen kann. Eine Bakterie mit dem Namen Xylella fastidiosa. Die Feuerbakterie sei angeblich eingereist mit aus Costa Rica importierten Oleanderpflanzen, daraufhin habe sie die Olivenhaine des Salento befallen. So hat es das Nationale Institut für Pflanzenschutz Italiens im Jahr 2013 verkündet.

Xylella fastidiosa blockiert bei den befallenen Gewächsen den Flüssigkeits- und Teile des Nährstofftransports, was Pflanzen wie Zitrusbäume und Weinstöcke verkümmern lässt – wie in Costa Rica, Brasilien und Kalifornien wissenschaftlich nachgewiesen wurde.
Weil sich die Feuerbakterie auf der Alarmliste der europäischen und mediterranen Pflanzenschutzorganisation EPPO befindet, herrscht vom Moment ihrer Entdeckung an der Ausnahmezustand: Das apulische Parlament ergreift Notstandsmaßnahmen, der italienische Ministerrat ruft den Notstand im Salento aus, die EU-Kommission legt strenge Quarantänebestimmungen auf; das Gebiet südlich der Stadt Lecce wird zur Brutstätte des Erregers deklariert, die Wiesenschaumzikade als Hauptüberträgerin identifiziert. Ein General der staatlichen Forstwache wird zum „Außerordentlichen Kommissar“ ernannt. Praktisch über Nacht werden Krisenstäbe gebildet, Interventionspläne entworfen, Forschungsgelder und EU-Notfallfonds in Millionenhöhe in Aussicht gestellt – und Olivenbäume gefällt.
Ein Vernichtungsplan läuft an: Apuliens Regionalregierung verkündet, dass unverzüglich Flugzeuge mit Pestiziden eingesetzt würden, weil sämtliche Olivenbäume des Salento als infiziert zu betrachten seien.

Nicht nur die erkrankten Olivenbäume müssen gefällt werden, sondern auch die gesunden Bäume im Umkreis von hundert Metern. Bauern, die sich weigern zu fällen, müssen bis zu 30 000 Euro Strafe zahlen. Bei einer Nichteinhaltung der Bestimmungen schreiten die Beamten des Forstschutzamts ein – sie allein legen per Augenschein fest, welche Bäume als erkrankt gelten, woraufhin Proben entnommen werden müssen. Das Pflanzenmaterial wird ausschließlich in von der Universität Bari ausgewählten Labors untersucht. Gegenproben sind verboten: Das Transportieren von „infiziertem Material“ ist ein Strafdelikt.

Il gigante di Felline 05/2018

Donato Boscia, Leiter der Forschung in der apulischen Niederlassung des Nationalen Forschungsrats (Consiglio Nazionale delle Ricerche) und Entdecker des gefährlichen Bakteriums in Apulien, prophezeit, dass es für die Olivenbäume des Salento keine Rettung geben könne: Man müsse deshalb nun den „Stier bei den Hörnern packen“ und die Olivenbäume schnellstmöglich fällen; es ließen sich lediglich vielleicht „50 Stämme von jahrhundertealten Oliven bäumen als Museumsstücke erhalten“. (Von GEO zu dem Thema kontaktiert, antwortete Donato Boscia, dass er sich nicht mehr äußern möchte.)

SEITDEM IST der Salento kein meerumschlungenes Kleinod mehr – sondern ein Kriegsgebiet, das aus einer infizierten Zone, einer Eindämmungszone und einer Pufferzone besteht. Einstmals silbrig flirrende Olivenhaine haben sich in Schlachtfelder verwandelt, auf denen verstümmelte Olivenbäume unter grünen Folien auf ihr Ende harren. Manche sehen aus wie mit Tarnnetzen verhüllte Raketenabschussrampen.

enthaupteter Olivenbaum bei Ora


Jahre nach der Entdeckung der Feuerbakterie stellt sich allerdings heraus, dass die Notstandsmaßnahmen, die in jenen kurz darauffolgenden Monaten beschlossen wurden, lediglich auf einer Hypothese beruhten: dass die Bakterie neben anderen Verursachern möglicherweise für das Vertrocknen der Olivenbäume verantwortlich sei. Bei der ersten Kontrolluntersuchung in dem Jahr, als der Erreger in Italien erstmals nachgewiesen wurde, hat man lediglich 21 infizierte Bäume gefunden, weniger als ein Prozent der entnommenen Proben. Deshalb stellen sich in Apulien viele Menschen die Frage: Wie zuverlässig sind die Fakten, auf die sich der Vernichtungsplan stützt? Wer hat sie mit welchem Interesse erhoben?

Unterwegs mit den Ungläubigen

Um den verknoteten Stamm des Giganten ist ein Gummischlauch gewunden, dar an hängt ein Plastikkanister, in dem normalerweise Roundup verkauft wird. Dieses Unkrautvernichtungsmittel enthält den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat und wird von dem amerikanischen Saatgutkonzern Monsanto hergestellt, der heute zu Bayer gehört.
„Spenden für die Xilella“ steht auf dem Kanister, ungelenk mit Filzstift geschrieben, daneben ist eine E-Mail-Adresse angegeben. Gemeint sind wohl Spenden für den vermeintlichen Kampf gegen diese Geißel.
„Tja, Spenden!“, sagt Anita Rossetti grimmig. Ums Geld kreise hier alles: um EU-Fördergelder für das Forschungsinstitut in Bari, welches das Bakterium untersucht; um Gelder für Labors, die angeblich resistente Olivenarten entwickeln; um Gelder als Entschädigung für abgeholzte Olivenbäume – es werden Beträge bis zu 261 Euro pro Baum in Aussicht gestellt. Bauern, die sich weigern, ihre Olivenbäume zu fällen, drohen nicht nur Strafen, sondern sie verwirken auch das Anrecht auf jegliche öffentlichen Fördergelder.

Im Sommer 2019 geistert die Zahl 400 Millionen Euro durch die Medien – allerdings komme diese Summe allein Großgrundbesitzern zugute, die ihre Haine abholzen und sie durch intensiv anzubauende Olivenarten ersetzen.

Anita Rossetti hat uns zum Riesen geführt, sie ist eine von vielen, die beschlossen haben, für die Olivenbäume zu kämpfen. Von neun bis fünf Uhr ist Anita Verwaltungsassistentin, im Herzen ist sie eine Kriegerin: Für die Rettung der Bäume ist sie in den Hungerstreik getreten und im Morgengrauen aufgestanden, um den mit Baggern und Motorsägen bewaffneten Männern zuvorzukommen.
Geschätzt 60 Millionen Olivenbäume wachsen in Apulien, rund 11 Millionen allein im Salento, sie schenken dieser Landschaft ihre Identität. Deshalb unterstehen die Olivenbäume des Salento auch einem besonderen Schutz gemäß der italienischen Verfassung: „Die Republik fördert die Entwicklung der Kultur und der wissenschaftlichen und technischen Forschung. Sie schützt die Landschaft und den historischen und künstlerischen Reichtum der Nation.“ Stirbt ein Olivenbaum, muss an seiner Stelle ein neuer gepflanzt werden. Auf diese Weise sollen die typischen Haine, die Landschaftszeichen der Region, erhalten werden.

Und wahrscheinlich liege genau darin das Problem, sagt Anita Rossetti. In Zeiten, in denen ein Liter Motorenöl teurer ist als ein Liter Olivenöl, bringt ein vom Großvater geerbter Olivenhain nicht sonderlich viel ein – Bauland hingegen unendlich viel mehr. Da kam ein Gesetz wie gerufen, sagt Anita, das die Regionalregierung kurz nach der Entdeckung des Bakteriums vorschlug und 2015 verabschiedete. Wo mit Xylella befallene Olivenbäume standen, kann nach einigen Jahren der landwirtschaftlichen Nutzung gebaut werden.

Xylella werde instrumentalisiert, um die Landschaft umzubilden, sagt Rossetti. Wie die anderen Umweltschützer zweifelt sie nicht daran, dass die Mikrobe hier präsent ist – sie zweifelt aber sehr wohl an der offiziellen Lesart der nationalen Wissenschaftsakademie, der zufolge die Bakterie ganz allein schuld sei am Vertrocknen der Bäume.
Noch im Oktober 2013 führten selbst die Forscher vom Institut für Pflanzenvirologie der Universität Bari das Verdorren der Olivenbäume auf das Zusammenwirken mehrerer Verursacher zurück: darunter der Holzbohrer Zeuzera pyrina, dessen Larve Tunnel ins Holz frisst und damit Krankheitserregern den Weg frei macht; ferner verschiedene Pilze und die Feuerbakterie, deren Wirken den Transport von Flüssigkeit und teilweise von Nährstoffen in der Pflanze blockiert. Noch vor sechs Jahren war also nicht die Rede davon, dass ausschließlich das Bakterium für die Krankheit verantwortlich sei, so wie es bis heute in der Öffentlichkeit dargestellt wird.

DIE STAATSANWALTSCHAFT in Lecce sieht ebenfalls Ungereimtheiten im Vorgehen der Behörden. Im Dezember 2015 beschlagnahmt sie zu fällende Olivenbäume und nimmt Ermittlungen gegen zehn Verantwortliche auf; unter ihnen nicht nur der „Entdecker“ der Xylella in Apulien, Donato Boscia, sein Mentor, der Pflanzenpathologe Giovanni Martelli, und weitere Dozenten der Universität Bari, sondern auch der „Außerordentliche Kommissar“ der Forstwache, der die Bekämpfungsaktion leitet.

Die Ermittlungsakten zitieren Augenzeugen, die Personen in Schutzanzügen in Olivenhainen gesehen haben, die in der Hand Kanister trugen, mit denen sie sich am Fuß der Bäume zu schaffen machten. Und die Staatsanwälte ermitteln, dass ab dem Jahr 2010 im Salento nicht genehmigte Pflanzenschutzgifte getestet wurden; ab 2011 auch offiziell ein Mittel von Monsanto: Roundup, mit dem Wirkstoff Glyphosat, den Experten der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ einstufen. Wo die „Experimentierfelder“ liegen, darüber schweigen die Genehmigungsbehörden bis heute.

Fliegende Esel und Glyphosat

Giovanni Martelli ist ein rüstiger alter Herr mit wachen Augen. Der Pflanzenpathologe und langjährige Leiter des CNR-Instituts für Pflanzenvirologie in Bari, einer Abteilung des Nationalen Wissenschaftsrats, ist ungeachtet seiner Emeritierung und seiner 84 Jahre stets in seinem mit Urkunden und Diplomen geschmückten Büro in der Universität Bari anzutreffen. Kategorisch erklärt Martelli, dass die Olivenbäume der Provinz Lecce rettungslos verloren seien, und er schildert die Entdeckung der Feuerbakterie, als sei sie sein Verdienst: Nachdem ihm sein Mitarbeiter und späterer Nachfolger Donato Boscia Fotos von vertrockneten Olivenbäumen gezeigt habe, sei ihm sofort klar gewesen, dass sich dahinter nur die Feuerbakterie verbergen könne, weshalb er befahl: „Sucht nach der Xylella.“ Schon drei Tage später war das Bakterium gefunden. Die regionale Pflanzenschutz- Beobachtungsstelle teilte den Fund Rom mit, und Rom alarmierte Brüssel.

„Wissen Sie, nicht nur der Mann von der Straße lügt, auch Staatsanwälte lügen,“ sagt Giovanni Martelli. „Der Leiter der Staatsanwaltschaft hat mir versichert, dass er praktisch erpresst wurde: ‚Ich musste es tun, sonst hätten sie mich umgebracht‘.“ Hinter den Ermittlungen verberge sich nichts anderes als vulgärer Volkszorn, meint Martelli, angefeuert von den Fake News irgendwelcher Pseudo- Umweltschützer. In den staatsanwaltlichen Akten sei die Rede von Personen in Schutzanzügen in Olivenhainen die Rede gewesen. „Können Sie sich das vorstellen? Warum nicht gleich Esel, die fliegen?“

Erstaunlich finden Anita Rossetti und die Gegner der Vernichtungsaktionen allerdings, weshalb ausschließlich die Xylella erforscht wird – nicht aber die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen dem Vertrocknen der Olivenbäume und dem exzessiven Einsatz von Glyphosat besteht. Bemerkenswert ist, dass in den Jahren, die dem Xylella-Notstand vorausgingen, im Salento der Verkauf von Pestiziden deutlich anstieg. Dass Glyphosat das Wachstum und die Gesundheit zahlreicher Pflanzen beeinträchtigt, gilt inzwischen als wissenschaftlich bestätigt.

Weil im Salento die Oliven oft nicht vom Baum geerntet werden, sondern erst dann, wenn sie auf dem Boden liegen, vernichten konventionelle Olivenanbauer jeden grünen Halm – bis die Erde so betonhart ist, dass man dar über mit Zwölf-Zentimeter-Absätzen spazieren könnte, ohne zu versinken.

ES WAR DIE Geografin Margherita Ciervo, die auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Verdorren der Olivenbäume und dem exzessiven Gebrauch von Glyphosat aufmerksam gemacht hat: dass Glyphosat eben nicht nur dem Unkraut den Garaus macht, sondern, massiv eingesetzt, wahrscheinlich auch den Olivenbäumen. Zumal bis heute nicht bekannt ist, wo die Gemeinden liegen, in denen besonders viel Glyphosat ausgebracht wurde. Dazu stellen die Verantwortlichen keinerlei Daten zur Verfügung: Auf diese Weise wird verhindert, dass eine Ursache-Wirkung-Korrelation zwischen der Gabe von Glyphosat und der Vernichtung der Olivenbäume hergestellt werden kann.

Olivenhaine, in denen die Bäume auf kahlem Terrain stehen, ein rücksichtsloser Einsatz von Pestiziden – das ist die eine Seite des Salento. Aber es gibt auch noch eine andere: Der Anteil des biologischen Anbaus ist in Apulien allein zwischen 2015 und 2016 um 40 Prozent gewachsen, das ist doppelt so viel wie im italienischen Durchschnitt.

„Das bedeutet natürlich einen Verlust für die Chemiemultis“, sagt die Geografin Margherita Ciervo, als sie im bleichen Licht des Pfarrgemeindesaals von Monopoli unter einem Jesusbild stehend die Ergebnisse ihrer Untersuchungen referiert.

Deshalb geht es im Salento nicht nur um Olivenbäume, sondern auch um die grundsätzliche Frage, in welcher Welt wir lieber leben wollen: in einer Welt, die einen nachhaltigen Umgang mit der Natur pflegt, oder in einer, die in der Natur einen auszubeutenden Rohstoff sieht? Welche Landwirtschaft wollen wir? Deshalb stehen sich im Salento zwei Fraktionen gegenüber: auf der einen Seite einfache Bürger, Umweltschützer, Biobauern, Kleinbauern, Forscher und Bürgerrechtler. Auf der anderen Seite die von der Demokratischen Partei geführte Regionalregierung, die Europäische Union, die Bauernverbände, die nationale Vereinigung der Olivenbauern und die Wissenschaftler der Universität Bari, die mit sämtlichen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das Dogma der Schuld der Xylella wie die päpstliche Unfehlbarkeit verteidigen.

Das Volk der Oliven

Sie tragen Ölzweige im Haar, die weißhaarigen Großmütter, die tätowierten Rasta-Männer, die Mädchen mit Gasmasken und die Jungs mit Schmetterlingsflügeln: Im Frühsommer 2018 demonstriert das „Volk der Oliven“ vor dem Sitz der Regionalregierung in Bari. Die Umweltschützer protestieren gegen ein Dekret des damaligen Landwirtschaftsministers Maurizio Martina. Es schreibt den Einsatz nicht nur von Pestiziden, sondern auch von Insektiziden vor, um den derzeit einzigen im Salento identifizierten Überträger des Feuerbakteriums zur Strecke zu bringen, die Wiesenschaumzikade: la sputacchina. Und dieser Einsatz ist massiv: rund 4,2 Millionen Liter für 700 000 Hektar Land, die jedes Jahr von Mai bis Dezember ausgebracht werden müssen.

Anita Rossetti, die Kriegerin, ist auch hier, sie schwenkt ein Plakat, auf dem steht „Retten wir die sputacchina – leck uns am Arsch, Martina!“, was sie auch in Richtung Parlament skandiert. Ein Mitstreiter ermahnt sie zu mehr Nüchternheit, aber die kann Anita nicht aufbringen – schließlich sind unter den ministeriell vorgeschriebenen Insektiziden auch Neonicotinoide. Weil diese für das Insektensterben mitverantwortlich gemacht werden, hat die EU sie im April 2018 im Freiland verboten.

DAS VOLK der Oliven leugnet nicht das Vertrocknen der Olivenbäume – die Rettung aber liege, so meinen die Aktivisten, nicht im Kahlschlag, sondern in der Heilung der kranken Bäume. Die alternativen Therapien würden allerdings, so kritisieren sie, totgeschwiegen, obwohl die Region sie 2014 bewilligt hat, wenn auch zähneknirschend.

Die „Cura Scortichini“ zum Beispiel, benannt nach dem renommierten Bakteriologen Marco Scortichini, Direktor des Forschungszentrums für Oliven-, Obst- und Zitrusanbau, einer Abteilung des Rats für Agrarforschung und Agrarwirtschaftsanalyse (CREA); er hat das Protokoll über den Nachweis der Feuerbakterie für die EU verfasst. In einem vertrockneten Hain hat er den Beweis erbracht, dass man mit einem Dünger aus Zink, Kupfer und Zitronensäure den Befall wohl kontrollieren und vertrocknete Bäume sogar retten kann. Seine Therapie reduziert die Symptome der Krankheit und die Anzahl der Xylella-Bakterien in der Pflanze.

Scortichini weist darauf hin, dass das Fällen der Olivenbäume die Xylella nicht an der Verbreitung hindert. Einmal eingeschleppt, bleibt das Bakterium präsent. Damit ist er sich einig mit dem weltweit anerkannten Xylella-Spezialisten Alexander Purcell, einem emeritierten Professor der Universität Berkeley, der mahnte: „Begeht nicht den gleichen Fehler wie wir: Das Fällen der Bäume allein bringt nichts. Man muss mit dem Bakterium leben und daran arbeiten, die Pflanzen zu stärken.“

Solche Aussagen sollen der Xylella-Hysterie den Wind aus den Segeln nehmen, in den Augen der Befürworter eines Kahlschlag kommen sie allerdings der Ketzerei gleich. Denn wo kein Drama ist, da fließen keine Gelder, vor allem nicht für die Forschung an genmanipulierten und damit also patentrechtlich geschützten Sorten.

Ivano Gioffreda ist Gründer und Präsident von „Spazi Popolari“, einer Kooperative für organisch- biologischen Anbau. Auch er sieht die Ursachen der Trockenkrankheit in einer landwirtschaftlichen Praxis, die nicht mit, sondern gegen die Natur arbeitet: mit der Gabe von Pestiziden, mit überflüssigem Pflügen oder dem Beschneiden der Olivenbäume im Hochsommer – und das alles gesetzlich vorgeschrieben. Eine derartige Behandlung aber vergessen Olivenhaine nicht, zumal nicht in einem Boden, der, wie Gioffreda feststellte, nur noch 0,8 Prozent organische Substanz hat. Um eine Pflanze ernähren zu können, muss der Boden mindestens zwei Prozent Humus aufweisen. Gioffredas Bodenproben in den befallenen Anbaugebieten bewiesen jedoch, dass die Erde unter den verdorrten Olivenbäumen praktisch tot war.

„Wenn das Laub vertrocknet, sagt dir die Pflanze: Rette mich. Und dabei zählt jeder Tag“, sagt Gioffreda. Er versucht, ähnlich wie der Bakteriologe Scortichini, die Abwehrkräfte der Pflanzen zu stärken. Düngt sie mit einem Ferment unter anderem aus Kuhmist, Zink, Molke, Bor und Mineralien, beschneidet sie, desinfiziert die Wunden mit einer Mischung aus Kalk und Kupfer. Den Boden ernährt er mit gehäckselten Lupinen, Ackerbohnen und Klee zur Gründüngung. Während der Bauernverband Coldiretti ihn mittels der den Funktionären geneigten Lokalzeitungen dafür als „Sektenführer“ und „Wunderheiler“ verhöhnte, wenden sich viele Olivenbauern an Gioffreda, damit er auch ihre Haine mit seinen sanften Kuren behandelt. Er hat erste Erfolge damit – zum Beispiel auf einer Masseria, einem typisch salentinischen Gutshof, in der Nähe von Galatone. Schon nach einem Jahr hat sich hier das Laub der behandelten Olivenbäume erholt, und sie tragen wieder Früchte – während die unbehandelten Bäume im Feld nebenan weiter vertrocknen.

Die Regionalregierung Apuliens unterstützt Ivano Gioffredas Experimentierfelder 18 Monate lang finanziell; in der Zeitrechnung eines tausendjährigen Olivenbaums ist das nicht mehr als ein Wimpernschlag, zumal bis zur wissenschaftlichen Veröffentlichung der Ergebnisse drei Jahre notwendig sind. Doch Gioffreda gibt nicht auf.

Bodenproben wurden auch im Rahmen eines Projekts im Verbund mit der Krebsliga entnommen, denn im Salento sterben nicht nur die Olivenbäume, sondern nun auch die Menschen: In der Provinz Lecce und damit im Notstandsgebiet des Xylella-Befalls herrscht eine erhöhte Lungenkrebsrate bei Männern. Die Ursachen dafür sind unbekannt, allerdings ergaben Untersuchungen eine alarmierende Vergiftung der Böden mit Dioxin, Arsen und Schwermetallen – eine ökologische Zeitbombe, die in den Böden des Salento ruht.
Die EU und die Forschung.

2017, vier Jahre nachdem der Erreger in Italien als identifiziert gilt, gibt der größte Bauernverband Italiens bekannt, dass mindestens 10 Millionen Olivenbäume in Apulien infiziert seien, zwei Jahre später verkündet er bereits eine Zahl von 21 Millionen betroffenen Bäumen; es sei ein Schaden von weit mehr als einer Milliarde Euro entstanden. Beeindruckend sind diese Zahlen – und umso überraschender ist die Mitteilung der Region Apulien vom August 2019, in der sie die Überwachungsdaten von 2018/2019 präsentiert: In der infizierten Zone konnte die Xylella nur in 779 von 31 208 untersuchten Bäumen nachgewiesen werden. Das ist ein Anteil von rund 2,5 Prozent. In der Eindämmungszone sind es noch weniger: Nur ein Prozent der untersuchten Bäume sind infiziert. Von einer Epidemie kann also keine Rede sein – das bestätigt sogar der Epidemiologe der Region Apulien.

NAHELIEGEND WÄRE es nun, dass diese Erkenntnis zu einer Korrektur der Kahlschlagpolitik führen würde. Die EU jedoch beharrt auf der weiträumigen Abholzung der Olivenbäume. Von GEO kontaktiert, verweist der zuständige Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Vytenis Andriukaitis lediglich darauf, dass man sich weiterhin auf Forschungsergebnisse stützen werde. Und die werden ausschließlich aus Italien geliefert – von den immer gleichen Wissenschaftlern der Universität Bari, des Nationalen Forschungsrats in Bari, des Instituts für mediterrane Landwirtschaft Bari (IAMB). Bis heute basieren sämtliche Verordnungen der Region Apulien und der Europäischen Union auf den Untersuchungen dieser Institute, die für ihre Forschungen zur Feuerbakterie Fördergelder der EU erhalten.
Es handelt sich hier um Untersuchungen der Universität Bari, die nicht nur die Anwesenheit von Xylella fastidiosa feststellten, sondern auch, dass diese Bakterie von der Wiesenschaumzikade, Philaenus spumarius, übertragen werde und sich epidemisch verbreite.

Allerdings sind all diese Arbeiten lediglich wenig aussagekräftige Pilotstudien. Bis heute gibt es keinen einzigen wissenschaftlich wasserdichten Beweis, dass allein die Feuerbakterien für das Vertrocknen der Olivenbäume verantwortlich sind. Das bloße Vorhandensein von Xylella fastidiosa sagt nichts aus über die Ursachen des Verdorrens, so bestätigen Pflanzenpathologen. Möglicher weise sind die Olivenbäume Wirtspflanzen für das Bakterium.

Die Zukunft: vielleicht ein Kampfbomber-Olivenbaum?

Wir stehen mit Ivano Gioffreda in Li Sauli, im Dreieck zwischen Gallipoli, Alezio und Taviano, auf den Feldern, die vor sechs Jahren als Brutstätte des Erregers ausgemacht wurden. Der Wind weht über versteppte, verdorrte Äcker. An einem Baumstumpf, aus dem ein grüner Zweig sprießt, hängt ein Schild: „Zu verkaufen“.

Olivenbäume bei Oria

Ivano Gioffreda ist einer der Ersten, die Zweifel an der amtlichen These vom Angriff des Killerbakteriums geäußert haben: Pro Jahr importiert Italien via Rotterdam 40 Millionen Pflanzen aus Costa Rica. Wie ist es da also zu erklären, dass die Killerbakterie nur den Salento angegriffen hat? Und warum wurden nicht die Oleander gefällt, sondern nur die Olivenbäume?

Und soll es etwa Zufall gewesen sein, sagt Ivano Gioffreda, dass Agrarwissenschaftler der Universität Bari im Jahr 2010 forderten, zum superintensiven Hochleistungsanbau von Oliven überzugehen? Weil etwa 85 Prozent des italienischen Olivenanbaus überflüssig und verlustbringend seien – bis auf ein paar Haine zur Gewinnung von Olivenöl extra vergine und noch ein paar Naturdenkmäler, die man auf Kosten von Touristik- oder Hotelunternehmen behalten könne?

Ganz zu schweigen vom Tourismusboom, den der Salento seit einigen Jahren erlebt – und der zur Folge hat, dass Olivenbäume Hotelanlagen, Golfplätzen und Resorts im Weg stehen? Einige Grundstücke wurden an große Gesellschaften verkauft, zum Beispiel der 20 Hektar große Olivenhain von Sarparea an der Bucht von Sant’Isidoro. Seit 1443 ist seine Existenz dokumentiert, er ist der älteste natürlich gewachsene Olivenhain Apuliens und gehört nun britischen Investoren, die ein Luxusresort auf dem karstigen Boden bauen wollen: die „Oase Sarparea“. 30 Villen zwischen teils tausendjährigen Olivenbäumen, zwei Schritte entfernt vom Meer und vom Naturschutzpark Porto Selvaggio. Dieser entstand, weil die Gemeinderätin Renata Fonte den Küstenstreifen in den 1980er Jahren Bauspekulanten entriss und dafür mit ihrem Leben bezahlte, im Jahr 1984 wurde sie von zwei Killern mit Pistolenschüssen hingerichtet.

Die Bauindustrie ist ein klassisches Standbein der Mafia. Nicht nur der Camorra und der ’Ndrangheta, die Apulien kolonisiert haben, sondern auch der apulischen Sacra Corona Unita, der jüngsten, sich im Aufwind befindlichen Mafiaorganisation Italiens. Das private Institut für Politik-, Wirtschafts- und Sozialforschung „Eurispes“ und die vom Bauernverband Coldiretti eingerichtete Beobachtungsstelle für Agrarkriminalität widmeten der „Eigenartigen Geschichte der Xylella“ in ihren Berichten aus den Jahren 2015 und 2016 ganze Kapitel. Und weil die Geschichte der Xylella eben so eigenartig ist, entschloss sich das italienische Parlament nicht nur zu einer umfassenden parlamentarischen Anhörung zum Thema Xylella, sondern beantragte auch eine parlamentarische Untersuchungskommission.

VIELEN LEUTEN, sagt Gioffreda, komme die Feuerbakterie wie gerufen. Er könne heulen, wenn er daran denke, wie perfekt der ministeriell beschlossene „Nationale Olivenanbauplan“ zum Angriff der Killerbakterie passt. Dieser Plan sieht vor, dass die Methode des Olivenanbaus geändert werden müsse: größere Flächen, mehr Großbetriebe, mehr intensiver und super-intensiver Anbau von modernen, in Laboren entwickelten, patentrechtlich geschützten Sorten. Wie würde es im Salento dann aus sehen? Wie in Andalusien, dessen Landschaft wirkt wie das Montageband einer Fabrik? Mit kilometerlangen monotonen Reihen von Olivenhecken, die mehr Ähnlichkeit mit Obstspalieren haben als mit Olivenbäumen?
Im Herbst 2017 gibt Brüssel grünes Licht für Neupflanzungen von Olivenbäumen – allerdings mit der Einschränkung, dass Wirtspflanzen der Xylella nicht angebaut werden dürfen. Die Regionalregierung von Apulien empfiehlt daraufhin den Anbau zweier Olivensorten, deren vermeintliche Resistenz allerdings noch gar nicht bewiesen ist: „Leccino“ und „Favolosa“. Letztere ist im Salento besser bekannt unter dem Begriff FS-17, was in den Ohren vieler hier klingt wie der Name eines Kampfbombers. Die FS-17 ist eine im Labor kreierte Sorte, die Patentschutz genießt. Mit jedem einzelnen gepflanzten Baum nimmt der Inhaber des Patents eine Lizenzgebühr ein.

Beide Olivensorten werden intensiv angebaut, sie ermöglichen eine mechanisierte, industrielle Landwirtschaft. Das Gegenteil also sowohl des traditionellen als auch des ökologischen Landbaus im Salento; dort haben sich im Laufe der Jahrtausende vor allem die beiden Sorten „Ogliarola salentina“ und „Cellina di Nardò“ durchgesetzt, sie gedeihen auf den trockenen, häufig karstigen Böden der Region im Allgemeinen ohne künstliche Bewässerung.

„Leccino“ und die FS-17, die beiden Olivensorten, die der italienische Bauernverband Coldiretti als Heilsbringer anpreist, sind zwei Sorten, die zum Anbau gekauft werden müssen: Die eine kann sich nicht selbst befruchten, die andere ist patentrechtlich geschützt. Dass auch diese beiden Olivensorten womöglich gar nicht dauerhaft resistent gegen die Xylella sind, gibt sogar die Regionalregierung Apuliens zu – doch das scheint außer den Gegnern der Abholzungen niemanden zu interessieren.

AUCH DIE UNIVERSITÄT Bari, die Abteilung für nachhaltigen Pflanzenschutz in Bari (IAMB), das Institut für mediterrane Landwirtschaft in Bari und das Agrarforschungsinstitut haben bereits ein Jahr vor der „Entdeckung“ der Xylella ein Abkommen mit dem Agrarmulti Agromillora über die Entwicklung einer neuen, industriell anbaufähigen Olivensorte vorgeschlagen und 2013 geschlossen, das ihnen 70 Prozent der Lizenzgebühren garantiert.

In Italien hat der intensive Anbau von Oliven bis heute keinen großen Erfolg: Nur ein Prozent der Olivenhaine werden intensiv bewirtschaftet. Im Salento fehlt nicht nur das Geld, sondern auch das notwendige Wasser für diesen industriellen Anbau.
Warum soll ich Olivenhecken anlegen und drei Jahre warten, bis sie etwas abwerfen – um sie dann nach 15 Jahren neu zu pflanzen? Und warum soll ich für Biopatente Geld ausgeben, weshalb Baumschulen bezahlen und Pflanzen kaufen, die viel Wasser brauchen, wenn ich doch jahrhundertealte Olivenbäume besitze, die praktisch ohne Wasser auskommen? Diese Fragen stellen sich Olivenbauern im Salento.

Viel Aufwand, hohe Kosten – für ein Olivenöl schlechterer Qualität. Denn das Öl aus dem Intensivanbau enthält zumeist weniger Polyphenole als das traditionelle Olivenöl des Salento. Und die Polyphenole sind es, die Olivenöl zu einem besonders wertvollen Lebensmittel machen.

Unter welchen Umständen kann also ein Bauer dennoch dazu gebracht werden, seine jahrhundertealten Olivenbäume zu fällen und durch teure, patentierte Pflanzen zu ersetzen? Doch nur, wenn er keine anderen Chancen mehr sieht – weil eben diese kuriose Krankheit ausgebrochen ist, die so schön in den Plan passt, sagt Ivano Gioffreda.

Im Frühjahr 2019 steht er mit anderen Aktivisten auf der Piazza Sant’Oronzo in Lecce und fordert ein Ende des inzwischen seit fünf Jahren geltenden Notstandsprogramms. Das „Volk der Oliven“ hat sich erneut zur Demonstration versammelt – unter der Statue des Schutzpatrons Sant’Oronzo und dem, was von dem tausendjährigen Olivenbaum übrig blieb, der auf diesem Platz die Identität der Region symbolisierte: Er wurde erst für infiziert erklärt und dann enthauptet, und schließlich pfropfte ihm ein umtriebiger Olivenölunternehmer auch noch medienwirksam Stecklinge der Sorte „Leccino“ auf. Die Stecklinge fielen ab, der Baum trieb hartnäckig wieder aus.
Italiens Regierungen wechseln, aber für die Olivenbäume des Salento ändert sich nichts, jedenfalls nicht zum Besseren: Die Fünf-Sterne-Bewegung, einst ein erklärter Gegner des Abholzungsprogramms, vollzieht eine spektakuläre 180-Grad-Wende und bekennt sich auch zum Fällen der Olivenbäume in den Eindämmungsgebieten. Und das Dekret des neuen Landwirtschaftsministers verschärft sogar noch das bestehende. Es sieht weiterhin den massiven Einsatz von Pestiziden und Insektiziden vor und setzt unbeirrt auf das Fällen der Bäume, ohne jede Umweltprüfung, ohne jegliche wissenschaftliche Auseinandersetzung, unter Ausschaltung bestehenden Rechts – wie der Verfassungsrichter Paolo Maddalena in seinem Appell an das italienische Parlament klarmachte. Maddalena unterstrich dabei, dass dieses Dekret praktisch eine fundamentale Umgestaltung des Salento zur Folge haben werde: Großgrundbesitzer anstelle von Kleinbauern, Großbetriebe statt Familien betrieben. Abnehmende Artenvielfalt und Verödung der Landschaft inklusive.

Glyphosat, der Killer

DAS GERICHT IN LECCE gibt im Frühjahr 2019 bekannt, das Verfahren wegen mutwilliger Verbreitung einer Pflanzenkrankheit eingestellt zu haben. Auf den Regierungsbänken des apulischen Parlaments bricht Jubel aus. Aber offenbar hat sich niemand die Mühe gemacht, das Einstellungsurteil zu lesen: Es ist eine 44-seitige Anklageschrift. Sie enthüllt Ungeheuerliches über die Behörden und die Forscher der Universität Bari: Etwa, dass die Verantwortlichen bereits seit 2004/2006 über die Präsenz des Bakteriums informiert waren, jedoch erst 2013 Alarm schlugen. Und mehr noch: Bei einer Anhörung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit im Jahr 2017 gibt die Wissenschaftlerin Maria Saponari von der Universität Bari zu, dass die Feuerbakterie vermutlich bereits seit fünfzehn Jahren im Territorium vorhanden sei, demnach also seit 2002.

Die Forschung basiere auf „unglaublichen Schlampereien“, so das Gericht, weshalb „begründete Zweifel an den Schlussfolgerungen“ berechtigt seien. Es ist die Rede von „Anzeigepflichtverletzung, Stillschweigen und Dokumentenfälschungen“ – wobei sogar das Wort omertà fällt, was bizarr anmutet, wenn richterlich gerügt wird, dass seitens der Forschungseinrichtungen und Behörden ein mafioses Stillschweigen praktiziert worden sei. Es wurden nicht nur Unregelmäßigkeiten beim Einsatzöffentlicher Gelder festgestellt, sondern auch Falschaussagen und Urkundenfälschungen, weshalb jetzt die Staatsanwaltschaft Bari ermittelt.

In ihren internen Mails geben die Wissenschaftler sogar mit Belustigung zu, genau zu wissen, dass das Feuerbakterium allein nicht das Vertrocknen der Olivenbäume verursache: „… und in 15 Jahren schreibst du dann eben, dass die Xylella nicht pathogen ist (aber das wissen wir ja schon, na und?)“, schreibt der „Entdecker“ der Xylella fastidiosa, Donato Boscia, an seine Mitarbeiterin Maria Saponari.

MUTMASSLICH VERBERGEN sich also mächtige Interessen hinter dem Programm zur Abholzung der Olivenbäume im Salento – das hat sogar Michele Emiliano zugegeben, der Ministerpräsident Apuliens, dem man gewiss nicht vorwerfen kann, ein Gegner der Baumfällaktionen zu sein. Anlässlich einer Buchpräsentation im August dieses Jahres sagte er: „Jetzt scheint es so, als befänden sich alle gleichermaßen in Erwartung eines Riesenhaufens Geld für das Fällen und die Neupflanzung der Bäume. Und dann ist die Frage, auf die Spitze getrieben, die folgende: Was passiert? Ich befürchte, wenn jemand morgen daherkommen und sagen würde: Ich habe die Behandlungskur für das Feuerbakterium gefunden – dann wird der umgebracht. Ich weiß nicht, ob ich noch deutlicher werden soll … im Sinne von … dass sich jetzt eine Reihe von Möglichkeiten ergeben, die in dieser Pflanzenkrankheit sogar einen Auslöser zur Neugestaltung der Landwirtschaft sehen. Ist das klar?“ Die Wirklichkeit übertrifft eben immer noch jeden Roman.

GEO-Autorin PETRA RESKI recherchiert und schreibt seit Jahren über die italienische Mafia; die Machenschaften rund um Xylella kamen ihr bekannt vor. Der Fotograf FRANCESCO ZIZOLA wurde für seine Arbeiten mehrmals mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet.