Letizia Battaglia – das war die absolute Abwesenheit von Opportunismus. Die Wahrheit war für sie der Kompass ihres Lebens, sie hat stets für sie gekämpft, selbst wenn sie sich dadurch Nachteile eingehandelt hat.
Letizia fotografierte Giulio Andreotti, als er einem Mafiaboss die Hand zur Begrüßung reichte – was Andreotti Jahrzehnte später zu leugnen versuchte, als er wegen Unterstützung der Mafia vor Gericht stand und Letizias Foto zu den Beweismitteln gehörte.
Bis zuletzt sah Letizia nicht ein, warum sie sich in die Rolle des Denkmals ihrer selbst fügen sollte. Keine Altersmilde, keine Resignation, kein Bedauern. Stattdessen pinkfarbene Haare, Ausstellungen und Zigaretten bis zum letzten Atemzug.
Als ich sie im Frühling 1989 in Palermo zum ersten Mal traf, war Letizia eine atemlose Umstürzlerin, eine Fotografin im Dienst der Revolution, ihrer Revolution – und ich ahnte ich nicht, dass das eine Begegnung war, die den Lauf meines Lebens verändern sollte.
Letizias Wohnung in Palermo steckte bis zur Decke voller Archivkisten, Aufrufe stapelten sich auf dem Boden, Manifeste waren auf Tischen ausgebreitet. Ständig gingen Leute ein und aus, Gewerkschafter, Kommunisten und Dialektdichterinnen, bärtige Männer, die über die Mafia in ihrem Dorf geschrieben und das Buch im Selbstverlag herausgegeben hatten, Sänger von Ethno-Rockgruppen und Mütter, deren Söhne von der Mafia umgebracht worden waren: Aktivisten einer Revolution, die wie mir schien, offenbar unmittelbar bevorstand. Letizia machte mich mit jedem bekannt, sie erklärte Verbindungen, Ideen und Vorhaben und gab die Hoffnung auf meine Bildbarkeit nicht auf. Sie stellte mich ihrer Tochter Shobha vor, auch sie Fotografin im Dienst der Sache, mit der ich von diesem Augenblick an jahrzehntelang zusammenarbeiten sollte.
Mein Beileid gilt Letizias Familie, besonders aber ihrer Tochter, der Fotografin
Shobha Angela Stagnitta, Freundin und Gefährtin vieler Abenteuer.