In memoriam Maria De Grandis

Mit Maria wurde heute morgen auf San Michele ein Stück Venedig zu Grabe getragen. Ihr Kosename war Mariuccia, sie war Köchin und stammte aus der Via Garibaldi, als die noch die Via Garibaldi war und nicht diese endlose Folge aus Snackbars, Pizzerien, und Take-Aways. Maria hatte sieben Kinder und arbeitete seitdem sie denken konnte, kochen war für sie eine Selbstverständlichkeit, wahrscheinlich war ihr der gute Geschmack angeboren, einem Fisch muss man ja auch nicht erklären, wie man schwimmt.

Ich habe jahrzehntelang  bei ihr gegessen, in den Restaurants an der Rialtobrücke, baccalà mantecato, Stockfischcreme, rigorosamente ohne Knoblauch, ganz leicht, gut aufgeschlagen mit etwas Milch. Oder masenete, winzige Krebse, die ganz gebraten und mitsamt der Schale verspeist werden und die Touristen niemals essen würden, wie sie auch vor den Tintenfischeiern zurückschrecken, latte di seppia, die weiß und weich sind und schmecken wie Eiweiß, das ins Meer getunkt wurde, alles Dinge, die es immer seltener in den venezianischen Restaurants gibt, weil die meisten sich an den Touristengeschmack angepasst haben und nichts mehr anbieten, was den Touristen fremd sein könnte.

Maria sprach nur Venezianisch und das auch sehr konsequent mit den senegalesischen Tellerwäschern – die von ihr zu Hilfsköchen herangezogen wurden: Ein Blick von Maria reichte und sie wussten, was sie zu tun hatten. Maria venezianisierte sogar ihre senegalesischen Namen, aus Mamadou machte sie „Mamma due“, weshalb es nur logisch war, dass irgendwann auch ein „Mamma sette“ auftauchte, der ihr treu ergeben war, genau wie Saliou, in den Pausen massierten sie Maria den Nacken, wofür Maria sich bei ihnen revanchierte, indem sie nach Feierabend spätabends ihre Hemden mitnahm, wusch und am nächsten Morgen frisch gebügelt wieder mitbrachte.

Ich sehe sie noch vor mir, wie sie abends in das Vaporetto an der Haltestelle San Silvestro stieg, immer mit frisch geschminkten Lippen. Cercatemi nel profondo del vostro cuore e io vi abbraccerò con amore stand auf der Rückseite des Erinnerungsbildes an Maria: Sucht mich in der Tiefe Eurer Herzen und ich werde Euch mit Liebe umarmen.

Genau das war Maria: Sie liebte uns alle.