Wie immer wird heute in Palermo um 17.56 Uhr und 48 Sekunden das Trompetensolo ertönen, um daran zu erinnern, dass dies der Augenblick war, als Giovanni Falcone, seine Frau Francesca Morvillo und drei Leibwächter auf der Autobahn bei Capaci in die Luft gesprengt wurden. Wie immer wird unter dem Ficus in der Via Notarbartolo die Nationalhymne gesungen, wie immer werden Politiker Reden halten. Und wie immer werden sich Antimafia-Staatsanwälte diesem Schaulaufen fernhalten, weil sie sich daran erinnern, wie Giovanni Falcone zu Lebzeiten systematisch diskreditiert, isoliert und in seiner Arbeit behindert wurde.
Einer dieser Antimafia-Staatsanwälte ist Nino Di Matteo. Er führt in Leben im permanenten Ausnahmezustand, weil er sich mit dem Prozess um den Pakt zwischen der Mafia und dem italienischen Staat nicht nur die Mafia zum Feind gemacht hat, sondern auch diejenigen, die das System Mafia am Leben halten wollen. Die vermeintlich Anständigen. Die Grauzone. Der Humus, auf dem die Mafia gedeiht.
Dank dieses Prozesses wissen wir, dass das Blut der beiden Richter noch nicht getrocknet war, als der italienische Staat bereits kapituliert hatte und weiter mit der Mafia verhandelte – so wie er es von Anfang seines Bestehens an getan hat.
Diese „Erbsünde der italienischen Republik“ wie es Salvatore Borsellino genannt hat, schwebt bis heute wie eine Giftwolke über Italien.
Ein Schritt, um diese Erbsünde zu tilgen, wäre Transparenz: Etwa die italienischen und amerikanischen Geheimdokumente zu den Attentaten von 1992 endlich freizugeben. Hilfreich wäre auch, wenn sich der ehemalige Staatspräsident Giorgio Napolitano endlich dazu entschließen würde, den Inhalt seiner Telefonate zu veröffentlichen, die zu den Gerichtsakten des Prozesses der „Trattativa“ gehörten – und die Napolitano dank eines gewaltigen juristischen Aufwands vernichten ließ.
Der Rechtsberater des Präsidenten, Loris D’Ambrosio, schrieb damals in seinem Brief, dass er befürchte, in der Zeit der Bombenattentate ein “nutzloser Schreiber unaussprechlicher Pakte” gewesen zu sein. Kurz darauf war er tot. Herzinfarkt.
Erst wenn wir Klarheit über diese unaussprechlichen Pakte haben, werden wir dem Gedenken an Giovanni Falcone wirklich die Ehre erweisen können.
Alles andere ist Heuchelei.