Hier noch ein paar Gedanken zu Salvini, die ich vor ein paar Tagen unter dem schönen Titel “ Wenn es still wird um „la bestia“ für Cicero festgehalten habe.
VON PETRA RESKI, VENEDIG am 29. August 2019
Der italienische Innenminister Matteo Salvini ist vorerst Geschichte. Der Mann, der den Kampf gegen das Mittelmeer und die Migration zu seinem Markenzeichen werden ließ, scheiterte am Ende an eigener Hybris. Sie gilt als politische Todsünde, besonders in Italien
Der größte Verdienst dieser italienischen Regierungskrise liegt bereits darin, nicht mehr mit Salvini bombardiert zu werden: mit seinen Tweets, seinen Facebook-Posts, seinen Videos – im Minutentakt fabriziert von seiner Kommunikationsabteilung, die den geschmackvollen Namen „la bestia“ trägt.
Medien, die der Demokratischen Partei nahestehen
Richtig aufgeblasen wurde Salvini nicht nur von la bestia und seinen Partnern in crime, der ultrarechten Partei Fratelli D’Italia und der vor sich hinbröselnden Berlusconi-Partei Forza Italia, sondern auch und vor allem von den Medien, die der Demokratischen Partei nahestehen – weil die Demokraten Matteo Salvini als Vogelscheuche brauchten. Wie man an Salvinis Wahlerfolgen bei den Europawahlen sah, ging das allerdings nach hinten los: Mehr Werbung hätte er nicht wünschen können.
Seine Hybris wurde Salvini zum Verhängnis
Aber dann kamen der Sommer und der menschliche Faktor ins Spiel: Salvini, den Rosenkranz küssend, Salvini die italienische Hymne am Strand grölend, Salvini, uneingeschränkte Vollmachten fordernd. Da war es eigentlich schon gelaufen, für Salvini. Denn es gibt nichts, was die uneinigen Italiener mehr verbindet als der periodisch aufsteigende Hass gegen Protagonisten der politischen Kaste, die sich Größenwahn zuschulden kommen lassen. Das haben bereits Bettino Craxi, Silvio Berlusconi und Matteo Renzi zu spüren bekommen. Seine Hybris wurde Salvini zum Verhängnis.
Die Lega-Anhänger im Norden waren von ihm enttäuscht, weil er weder die versprochene Autonomie der Regionen durchgesetzt hatte, noch seine Steuerreform. Langfristig ließen sie sich nicht mit Selfies von nackten Nigerianern abspeisen. Die süditalienischen Katholiken unter seinen Wählern fanden es unanständig, wie er ständig den Rosenkranz schwenkte und nicht davor zurückschreckte, die Muttergottes für seinen permanenten Wahlkampf zu missbrauchen.
Die ungeklärte Russlandaffäre
Manche der Salvini-Verehrer hätten vielleicht noch von den 49 Millionen Euro absehen können, die die Lega dem italienischen Staat wegen unrechtmäßig bezogener staatlicher Parteienfinanzierung schuldet. Wenn es nicht noch einen Berater Salvinis in Sachen Windkraft gegeben hätte, der wegen Unterstützung der Mafia verhaftet wurde und dank Salvini einen Staatssekretär ins Amt gehievt hatte. Und dann war da noch die ungeklärte Russlandaffäre – der zufolge Salvinis Lega in Moskau Wahlkampfhilfe in Millionenhöhe einkassiert haben soll. Da fing Salvinis Aura schon an zu bröckeln.
Also dachte er daran, eine Runde Regierungskrise zu spielen. Lief aber auch nicht so richtig. Als Salvini ein Foto von sich im Zucchinibeet sitzend twitterte, war eigentlich schon alles klar. Auf Twitter wurde sein Foto begeistert geteilt, mit dem Hashtag #OrtiChiusi: Gemüsegarten geschlossen, was eine schöne Parodie war auf Salvinis Lieblings-Hashtag #PortiChiusi, Häfen geschlossen. Kurz darauf machte auch noch ein Foto die Runde, das Grillo mit einem überdimensionalen Kopf aus Pappmaché hinter einem Busch lauernd zeigte. Der Rest ist Geschichte.
Die Idiotie des Jahrhunderts
Da nutzte es auch nichts mehr, den Misstrauensantrag gegen Conte wieder zurückzuziehen und dem Fünfsterne-Anführer Luigi Di Maio den Posten als Ministerpräsidenten anzubieten. Vittorio Feltri, Chefredakteur von Berlusconis Tageszeitung „Il Giornale“ twitterte, dass Salvini die Idiotie des Jahrhunderts begangen habe und dafür bezahlen müsse. Selbst die Mafiabosse, die ja bekanntlich extrem pragmatische Personen sind, fragten sich vermutlich, wer dafür verantwortlich gewesen war, dass sie auf einen so lahmen Gaul setzen konnten.
Salvinis Umfragewerte schmolzen wie die Eiswürfel in seinem Mojito. Damit das so bleibt, müssen sich Fünfsterne und Demokratische Partei innerhalb von zwei Wochen einigen. Schwierig, aber nicht unmöglich. Schließlich haben sie mehr gemein als Lega und die Fünfsterne. Hätte Renzi nicht sein Nein zu einer Koalition erklärt, hätte es schon früher dazu kommen können.
Alle feierten außer den Fünfsternen
Auch bei den Wahlen 2013 wären die Fünfsterne bereit gewesen, mit der demokratischen Partei zu regieren, falls diese für Stefano Rodotà als Staatspräsidenten gestimmt hätten. Rodotà war ein unabhängiger Jurist, der sich damit bewährt hatte, die linksdemokratische Partei nach dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch des italienischen Parteiensystems Anfang der 1990er Jahre aus den noch rauchenden Trümmern der kommunistischen Partei überhaupt erst entstehen zu lassen.
Weil die Fünfsterne damals aber als Aussätzige galten, ungeachtet ihres Wahlerfolgs von über 25 Prozent, wurde der Altpräsident Napolitano wieder in seinem Amt bestätigt. Dafür gab es im italienischen Parlament standing ovations. Alle feierten, außer den Fünfsternen. Berlusconi so glücklich zu sehen, war für viele Italiener übrigens ein Gefühl, als würde jeder Zehennagel einzeln herausgezogen werden. Das größte Problem haben jetzt die Medien, die sowohl in Italien, als auch in Deutschland die Fünfsterne immer wieder als eine Art Beulenpest beschrieben haben. Die müssen jetzt etwas rudern. Aber sie sind ja wendig.