Was die Xylella mit dem Schweigegebot zu tun hat.

Über den Öko-Thriller, das angebliche Wüten des Feuerbakteriums Xylella fastidiosa in den Olivenhainen Apuliens habe ich in diesem Blog schon so oft berichtet, dass ich überzeugt war, mich könnte nichts mehr überraschen – kein Cliffhanger, keine Lügen, keine Twists (man denke nur an die Fünfsterne-Bewegung, die kurz nach den Wahlen 2018 plötzlich auch auf den Xylella-Zug aufsprang und zur großen Freude des italienischen Bauernverbandes Coldiretti  ein „chirurgisches“ Fällen der Olivenbäume forderte – ohne diese Kehrtwende dem sonst stets strapazierten online-Votum auszusetzen). Indes: Es geht immer noch schlimmer.

Wissenschaft als Religionsersatz

Nur zur Erinnerung: Alles dreht sich um das Vertrocknen der Olivenbäume in Apulien, auch CoDiRo-Syndrom (Complesso di Diseccamento Rapido) genannt, und die mit Vehemenz vertretene Position einer Phalanx aus Forschern, Behörden, Interessenverbänden und politischen Parteien (allen voran die apulische Regionalregierung), die in der Bakterie die einzige Ursache der vertrockneten Bäume sehen wollen. Dem gegenüber stehen Bürgerinitiativen, Umweltschützer und Vertreter eines nachhaltigen Olivenanbaus, die nicht an der Existenz der Feuerbakterie zweifeln, wohl aber an dem Diktum, dass ausschließlich die Feuerbakterie für dass Vertrocknen der Olivenbäume zuständig sei.

Dieses Diktum ist seit nunmehr fünf Jahren, nachdem im Oktober 2013 im Salento das Bakterium entdeckt und bald darauf der Notstand ausgerufen wurde, zu einem Dogma geworden, wie die Jungfrauengeburt für die katholische Kirche. Wer daran Zweifel äußert, kommt auf den Scheiterhaufen.

 

Enthaupteter Olivenbaum bei Oria

In diesen Tagen hat die Staatsanwaltschaft Lecce erklärt, ihr Verfahren wegen „fahrlässiger Verbreitung einer Pflanzenkrankheit“ eingestellt zu haben: Im Dezember 2015 hatte sie zu fällende Olivenbäume beschlagnahmen lassen und Ermittlungen gegen zehn Verantwortliche aufgenommen; unter ihnen nicht nur der angebliche „Entdecker“ der Feuerbakterie, Donato Boscia, sondern auch der „Außerordentliche Kommissar“ der Forstwache, der die Bekämpfungsaktion geleitet hat.

Sofort brach bei der apulischen Regierungspartei, der PD, Jubel aus. Offenbar, weil niemand sich die Mühe gemacht hat, die 44 Seiten der Einstellungsbegründung der Untersuchungsrichterin zu lesen. Denn die enthüllen Ungeheuerliches über die Behörden und die Forscher der Universität Bari, die seit dem angeblichen Ausbruch der angeblichen Epidemie die Xylella-Forschung als Monopol betreiben – und deren geringste Sorge die Rettung der Olivenbäume war.

Amtlich verordnetes Stillschweigen

In der Einstellungsbegründung ist die Rede davon, dass die Forschung auf „unglaublichen Schlampereien“ basiere, weshalb „begründete Zweifel an den Schlussfolgerungen“ berechtigt seien – deren Opfer, es sei daran erinnert, nicht nur die Olivenbäume sind, sondern die ganze Kulturlandschaft des Salento. Im Urteil werden bizarre Mails der Forscher zitiert, in denen zu lesen ist :

“ … und in 15 Jahren schreibst du dann eben, dass die Xylella nicht pathogen ist (aber das wissen wir ja schon, na und?)“.

Besonders befremdend ist, dass diese Mail zu einer Zeit geschrieben wurde, als genau diese Forscher mit EU-Geldern (30 Millionen Euro) ausgestattet wurden, um die Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen einem Bakterium und dem Wirt herzustellen. Eine Studie, auf die sich alle behördlichen Verordnungen zur Vernichtung der Olivenbäume stützen und deren wissenschaftliche Basis von renommierten Wissenschaftsjournalisten stets angezweifelt wurde.

Weiter ist die Rede ist von  „Anzeigepflichtverletzung, Stillschweigen und Dokumentenfälschungen“ – wobei sogar das Wort  „Omertà“ fällt, was bizarr anmutet, wenn richterlich gerügt wird, dass seitens der Forschungseinrichtungen und Behörden praktisch ein mafioses Stillschweigen von Amts wegen praktiziert wurde. Es wurden nicht nur Unregelmäßigkeiten beim Einsatz öffentlicher Gelder festgestellt, sondern auch Urkundenfälschungen und Falschaussagen , weshalb nun die Staatsanwaltschaft Bari beauftragt wurde zu ermitteln.

Bei der Lektüre der Einstellungsbegründung wird überdies noch klar, dass die Verantwortlichen bereits seit 2004 über die Präsenz des Bakteriums informiert waren, aber erst 2013 Alarm schlugen. Was einigermaßen kurios ist, wenn dieses Bakterium denn wirklich so supersupergefährlich wäre, wie es erklärt wurde (dank des „Vernichtungsplans“, der seitdem läuft, müssen nicht nur die infizierten Olivenbäume gefällt werden, sondern auch alle gesunden Bäume im Umkreis von hundert Metern. Bauern, die sich weigern zu fällen, müssen Strafe zahlen; was infiziert ist, bestimmen die Beamten des Forstschutzamts und von der Universität Bari ausgewählte Labore. Gegenproben sind verboten, etc. etc.)

Monsantos Experimentierfelder

Bizarr ist vor allem die Verschwiegenheit der Behörden: Bis heute weiß man nicht, wo sich die Experimentierfelder befanden, in denen Pflanzenschutzmittel getestet wurden, deren Anwendung an Olivenbäumen verboten war, darunter das Fungizid Insignia von BASF, für die das Gesundheitsministerium in Rom die Genehmigung gegeben hatte. Ebensowenig ist bekannt, wo sich die Experimentierfelder von Monsanto befanden, in denen die Anwendung des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Round Up getestet wurde, das 2013 unter dem Namen Round Up Platinum auf den Markt kam.

Medien als Propagandamaschine

Bizarr ist auch die Haltung der Medien. Nicht nur der italienischen, sondern der europäischen. Mich hat immer gewundert, wie die #Xylella-Propaganda via copy+paste ihren Weg von Apulien erst nach Rom und dann nach ganz Europa bis hin nach Amerika gefunden hat. Klar, dass ich es in diesem Zusammenhang besonders interessant finde, dass die französische Justiz jetzt Ermittlungen gegen Monsanto aufgenommen hat, weil Monsanto offenbar Listen mit Kritikern geführt haben soll.

Mich hat nur gewundert, dass ich – zumindest in Deutschland – diejenige war, die in splendid isolation Zweifel an der Xylella-These geäußert hat. Bei den meisten Kollegen lag es daran, so vermute ich, dass sie einfach keine Recherchen gemacht haben und sie per copy+paste einfach die Berichterstattung aus Repubblica+Corriere+LaStampa übernommen haben. Andere waren vor Ort, sprachen kein Italienisch (warum auch?) und haben sich auf die vorliegende Berichterstattung verlassen, so zum Beispiel der Kollege aus der Schweiz, der bei der Gelegenheit auch darauf nicht verzichten konnte, sich sein Mütchen ausgerechnet an mir (und vor allem Beppe Grillo) zu kühlen. Nachzulesen hier.

Wie es ist, sich gegen den (Medien-)Wind in Sachen Xylella zu stellen, habe ich spätestens im letzten Jahr zu spüren bekommen, nachdem Beppe Grillo ein Post meines Blogs weiterverbreitet hat. Hier auf Deutsch nachzulesen. Danach wurden wir angegriffen (selbst die apulische Regierung entblödete sich nicht, uns Klagen anzudrohen), als hätten wir kleine Kinder aufgefressen: Viel Feind, viel Ehr.

Ein Kommentar

  1. Sehr geehrte Fr. Reski,
    vielen Dank für Ihre Berichterstattung.
    Es ist schade, dass tatsächlich die meisten Journalisten keine eigene Recherche betreiben. Und es ist ein Jammer, dass solche Geschichten auf privaten Blogs und nicht in großen Zeitungen (analog/digital) behandelt werden. Ganz abgesehen davon, dass durch solche Geschichten letztlich Raubbau an der Umwelt betrieben, die Existenzgrundlage von wahrscheinlich kleineren Landwirten zerstört und eine Kulturlandschaft für die Ausbeutung durch einen Massentourismus vorbereitet wird.
    MfG, Jürgen

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