Ja. Wieder mal ist die Rede vom „Schlag gegen die Mafia“, wie jedes Mal, wenn die Mafia in Deutschland wieder entdeckt – und, wie es sich für das zupackende Deutschland gehört, natürlich auch gleich zerschlagen wird.
Zuletzt war im Januar von einem „Schlag gegen die Mafia“ zu lesen, als bei der Operation mit dem poetischen Namen Styx elf mutmaßliche Mafiosi im Stuttgarter Raum verhaftet wurden, die zum Clan Farao-Maringola gezählt werden: „Elf Festnahmen: Polizei zerschlägt Mafia-Clan“ und „Deutschland und Italien schlagen gegen die Mafia zurück“, wurde stolz vermeldet.
Und heute die „Operation Pollino“. 90 Verhaftungen in Italien, Deutschland, Belgien, Holland, darunter Mitglieder des Clans Pelle-Vottari-Romeo, dem Clan, der auch in das Mafiamassaker von Duisburg verwickelt war und der bis heute einer der mächtigsten Clans in Deutschland und in Italien ist. Heute also schlug, wenn man manchen Medien Glauben schenkt, nicht nur Deutschland zurück, nein praktisch ganz Europa – was in der Tat wünschenswert wäre, angesichts der Tatsache, dass die Mafia ein europaweites Problem ist und als solche bekämpft gehört.
Tatsache aber ist, dass wir von einer europaweiten Bekämpfung der Mafia noch weiter entfernt sind als von der Einigung im Flüchtlingsstreit. Italien hat aufgrund seiner Geschichte strengere Antimafia-Gesetze als Deutschland. Und auch eine höhere Mafia-Dichte – bis in die höchsten Staatsspitzen. Aber angesichts der Tatsache, dass die Mafia in Deutschland seit den 1960er Jahren ansässig ist, wo sie sich ausgehend von den Industriezentren in ganzen Land ausgebreitet hat, ist es doch etwas, ähem, bizarr zu sehen, dass die Präsenz der Mafia scheinbar das geringste Problem in Deutschland zu sein scheint. Jedenfalls für die deutsche Politik – die ja nun die Gesetze macht. Was viele vergessen, wenn sie deutsche Polizisten oder OK-Ermittler bekritteln.
Und auch für die deutschen Bürger ist die Mafia kein wirkliches Problem, was man ihnen allerdings nicht zum Vorwurf machen kann, weil sie de facto kaum etwas Konkretes über die Umtriebe der Mafia in Deutschland erfahren können, jedenfalls nicht aus den Medien: Da wird jeder Journalist, der Ross und Reiter nennt, in Grund und Boden geklagt.
Eine Erfahrung, die nicht nur ich machen durfte, sondern auch der MDR, die TAZ, der verstorbene Jürgen Roth und auch Francesco Forgione. Jeder, der über die Mafia in Deutschland geschrieben hat und verklagt wurde, hat den Prozess verloren. Was doch einigermaßen erstaunlich ist – zumal Journalisten, die Verdachtsberichterstattung leisten, sich auf sogenannte „qualifizierte Quellen“ stützen, also auf Ermittlungsakten, Gerichtsurteile etc. Wie es auch die italienischen Journalisten tun. Die auch verklagt werden. Die aber ihre Prozesse gewinnen, anders als wir Journalisten in Deutschland. Tja.
Und weil das so ist, scheuen viele Redaktionen inzwischen davor zurück, über die Mafia in Deutschland zu berichten – weil sie Angst vor Prozessen und den damit verbundenen Rechtskosten haben. Womit das Ziel erreicht wäre: Einen treffen, Hunderte erziehen.
So gesehen ist es gut, wenn, wie heute mal wieder, über die Mafia in Deutschland überhaupt gesprochen wird. Allerdings wäre es noch besser, wenn es sich dabei nicht nur wieder um einen kurzen Spot handeln würde, nicht darum, dass die Mafia irgendwo im gesellschaftlichen Unterholz ihr Unwesen treibt, sondern darum, dass sie mitten unter uns lebt und ihre Geschäfte macht. Unter den Augen aller.
Und deshalb mache ich an dieser Stelle ganz schamlos einen Vorschlag: Machen Sie ein Weihnachtsgeschenk! Schenken Sie einem Landtags-/Bundestagsabgeordneten ihrer Wahl mein Buch: 100 Seiten Mafia. Praktisch die Basis. Kann man sich im Grunde an einem Abend durchlesen.
Damit wir nicht jedes Mal wieder bei Adam und Eva anfangen müssen.