Heute, am Tag der Ermordung von Paolo Borsellino und seinen Leibwächtern, möchte ich an diejenigen erinnern, die für ihre Aussagen über die Mafia einen hohen Preis bezahlt haben. Da wäre vor allem Massimo Ciancimino zu nennen, dessen Aussagen den Prozess der Trattativa, die Hintergründe zu dem Pakt zwischen dem italienischen Staat und der Mafia überhaupt erst möglich gemacht haben.
Er ist der jüngste Sohn des mafiosen Bürgermeisters von Palermo, Vito Ciancimino. Massimo hat über seinen Vater ein lesenswertes Buch geschrieben, dass auch auf Deutsch übersetzt wurde: Don Vito. Mein Vater, der Pate von Palermo. Dank der Aussagen von Massimo Ciancimino und des Mafia-Aussteigers Gaspare Spatuzza kam es überhaupt zum Prozess um die Trattativa: Anders als die Kinder der Mafiabosse Bernardo Provenzano oder Totò Riina, hat Massimo Ciancimino die Geheimnisse seines Vaters den Staatsanwälten mitgeteilt, er erzählte, was sein Vater bei den Treffen mit dem Boss Bernardo Provenzano besprach und beschrieb, welche Richter, Politiker, Mafiosi, Polizisten und Geheimagenten im Salon von Don Vito ein- und ausgingen.
Er sei ein Toter, der spricht, un morto che parla, so nennt es die Mafia, wenn sie jemanden geächtet hat, weil er ihre Geheimnisse verrät. Und so genau das hat sich für Massimo bewahrheitet: Er wurde verklagt, verhöhnt und diffamiert. Seine Familie distanzierte sich. Und der oberste Geheimchef verklagte ihn erfolgreich wegen Verleumdung.
Und der Stabsfeldwebel der Carabinieri Saverio Masi, der es wagte, darüber auszusagen, wie er von seinen Vorgesetzten daran gehindert wurde, den Boss Bernardo Provenzano zu verhaften und nach Matteo Messina Denaro zu suchen, wurde ebenfalls verklagt, verhöhnt und diffamiert. „Wir haben keine Absicht, Provenzano festzunehmen! Hast du das immer noch nicht kapiert? Kannst du endlich damit aufhören, dich blöd zu stellen? Sag, was du willst und du kriegst es von uns. Brauchst du eine Arbeit für deine Schwester?“ habe ihm sein Vorgesetzter gesagt, der wusste, dass Masis Schwester arbeitslos war. Das Gleiche sei ihm mit Matteo Messina Denaro geschehen, den er erkannt und bis zu einer Villa verfolgt habe: Masi bekam keine Genehmigung, den Boss weiter zu verfolgen.
Und Angela Manca, die Mutter des ermordeten Urologen Attilio Manca, hofft ebenfalls auf Gerechtigkeit: Wie die Familie rekonstruierte, wurde der junge Chirurg Attilio Manca ermordet, nachdem er den Boss Bernardo Provenzano in Marseille operiert hatte und so zu einem lästigen Zeugen geworden war – Zeuge der Tatsache, dass der Boss vierzig Jahre lang ungestört in Italien leben konnte, weil sich die schützende Hand des italienischen Staates über ihn gelegt hatte.
Aber Marcello Dell’Utri, die rechte Hand von Berlusconi und rechtskräftig verurteilter Mafiagehilfe, durfte das Gefängnis verlassen und den Rest seiner Strafe als Hausarrest absitzen. Aus gesundheitlichen Gründen. Ähem.