„Eine digitale Rampensau“, so hat mich neulich eine Freundin (wozu Feinde, wenn man Freundinnen hat?) genannt, als ich sie mal wieder zum Bloggen peitschen wollte und sie mich bei der Gelegenheit daran erinnerte, dass sie es war, die mich im fernen Jahr 2008 dazu überredet hat, mit der supereinfachen WordPress-Software einen Blog zu schreiben. Perfiderweise brachte sie auch einen meiner Texte zur Sprache, in dem sie ein beeindruckendes Beispiel einer historischen Fehleinschätzung sah: Ein Text, den ich im noch ferneren Jahr 1997 über Mobiltelefone (so nannte man das damals noch, liebe Kinder, es waren Geräte, groß und schwer wie Dampfbügeleisen, wenn man damit zu lange telefoniert hatte, glühte das Ohr) geschrieben habe, eine gut bezahlte Auftragsarbeit, was soll ich sagen: Ich war jung und brauchte das Geld.
Der Italiener an meiner Seite reibt mir übrigens bis heute unter die Nase, dass ich mich über sein erstes Handy (es war ein Motorola und sah aus wie ein Satellitentelefon, mit dem man auch in den Bergen Afghanistans eine Konferenzschaltung hinkriegt) aufgeregt habe, ich hätte angeblich sogar dafür plädiert, den Gebrauch von Handys in Restaurants zu verbieten, ähnlich wie das Rauchen. Meine Handy-Aversion legte sich schlagartig, als mir meine Mutter das erste Handy schenkte, welches ich kurz darauf in einem Münchener Taxi verlor, weshalb ich in Tränen aufgelöst den Italiener an meiner Seite anrief, der dann seinerseits mein Handy so lange anrief, bis der Münchener Taxifahrer es endlich unter dem Autositz klingeln hörte und mir zurückbrachte. Ich habe ihm fünfzig Mark geschenkt, dem Taxifahrer.
Hier also der Text:
Nach dem Pferdeschwanz, dem Knopf im rechten Ohr und Calvin Kleins Unterhosen sind die Männer wieder mal einer geschmacklichen Verirrung erlegen: dem Funktelefon, kurz und neckisch „Händi“ genannt. (öbrigens: Heißt der Computer bei solchen Männern Compi, der Mercedes Merci und ihre Frau Susi?? Etwa so: „Gerade hab‘ ich Susi aus dem Merci mit dem Händi angerufen“?)
Eine Frau mit Stil jedenfalls hat einen Sekretär oder mindestens einen Anrufbeantworter und denkt nicht im Traum daran, jeden Anruf selbst und noch dazu in jeder Lebenslage entgegenzunehmen. Aber Männer sind sich ja für nix zu blöd. Kein Herrenmagazin von Rang kommt mehr ohne eine Doppelseite mit den neuesten 113-Gramm-Modellen aus, jeder Gemüsehändler glaubt sich unersetzlich und will immer und für alle erreichbar sein.
Seither klingelt es überall: im Bett, im Restaurant, auf der Straße, im Beichtstuhl, auf dem Klo.
Natürlich ist die Welle aus Italien nach Deutschland geschwappt, einem Land, in dem das Mitteilungsbedürfnis existentiell („Ich telefoniere, also bin ich“) ist. Umberto Eco meinte zwar, dass nur drei Kategorien von Menschen das Recht auf ein Telefonino haben: Behinderte, Politiker und Ehebrecher, aber diese Erkenntnis ist noch nicht nach Deutschland vorgedrungen. Hier sind die Männer, die normalerweise nicht mehr als „Hm, hm, hm, aha, aha“ am Telefon rauskriegten, und es nicht mal schafften, die Grundgebühr zu vertelefonieren, neuerdings von einer ungermanisch zu nennenden Geschwätzigkeit befallen. Kein Mann kann sich mehr vorstellen, dass es mal ein Leben ohne Händi gab. Was man sich da hatte alles verkneifen müssen! Im Flughafenbus wird gleich nach der Landung, klapp-klapp, das kleine schwarze Monstrum ans Ohr gehalten, um was mitzuteilen? Die unverzichtbare Botschaft: „Hilde, ich bin jetzt im Bus. Gerade gelandet.“
Linguisten nennen das Phänomen egozentrisches Sprachverhalten, wie man es vor allem bei Kindern beobachten kann. Kinder kommentieren all das, was sie gerade tun: Wenn sie einen Baum malen, sagen sie „Ich male jetzt einen Baum.“ Machen sie Pipi, sagen sie „Ich mache jetzt Pipi.“ Anders als telefonierende Männer reden sie jedoch einfach vor sich hin und erwarten darauf keine Reaktion. Kaum hat ein Mann ein Funktelefon in der Hand, verfällt er in einen ähnlichen Zustand, jede Lebensäußerung ist ihm ein Telefonat wert: „Erika, ich steh‘ jetzt gerade hier an der Ampel, und die ist rot.“ Was soll man darauf antworten? Ja und? Mir doch egal? Was soll man zu einem Satz sagen wie: „Ich bin jetzt kurz vor Siegburg, wunder‘ dich nicht, wenn’s gleich weg ist, hier sind so viele Tunnnn…“ Anstatt die Klappe zu halten, und zu warten, bis es wirklich etwas Mitteilenswertes gibt und ein echtes Telefon in Reichweite steht, foltern Händibesitzer ihre Lebensgefährtinnen mit ihren ewigen „Ichbinjetztgerade, Ichstehjetztgerade, Ichmachjetztgerade“- Anrufen rund um die Uhr. Wer will das wissen, verdammt? Haben die Kerle nichts Besseres zu tun, als läppisches Zeug in ein schwarzes Kästchen zu quatschen? Gott-sei-Dank wird jedoch in 90 Prozent aller Fälle von der Technik gnädig verhindert, dass die Männer ihre Banalitäten loswerden. Grundlegende Eigenschaft aller Mobiltelefone der Welt ist nämlich, nicht zu funktionieren. Jeder Tunnel, jedes Waldstück, jede Mauer, die dicker als Briefpapier ist, jedes elektromagnetische Feld von der Größe eines Zehennagels unterbindet die Kommunikation. Uneinsichtig wie Männer sind, versuchen sie vergeblich, dennoch eine Verbindung herzustellen. Das kann manchem Manne die Tage ausfüllen. Mit flackerndem Blick läuft er alle fünf Minuten aus dem Restaurant ins Freie, um zu prüfen, ob das Ding noch geht. Denn schlimmer als die mangelnde Verbindung ist nur noch eine Erkenntnis: ES RUFT KEINER AN!
Es soll Männer gegeben haben, die mit ihrem Händi in den Tod gingen, wenn es zwei Tage lang nicht geklingelt hat. Obwohl es inzwischen von Benimm-Tips für Händi-Halter nur so wimmelt („Legen Sie das Funktelefon im Restaurant nicht wie ein Stück Brot neben den Teller. Das ist nicht nur unhygienisch, sondern auch schlecht erzogen. Fuchteln Sie nicht mit den Armen herum, wenn sie auf der Straße telefonieren, schalten Sie das Ding aus, wenn sie im Theater/Kino/Restaurant/Kirche sind“), ist man immer wieder den Besessenen ausgeliefert, was etwa so unangenehm ist, wie jemandem beim Nasebohren zusehen zu müssen. Im Zug ist es am schlimmsten. Da kann man nicht weg. Man kann aber dem Telefonierer ein Taschentuch in den Mund stopfen.
Die aufsehenerregenste Entdeckung jedoch machte Dr. Yeh Wan Fang von der Chang-Gun-Klinik in Taipeh (kein Witz, meine Herren!). Er stellte fest, dass alle Patienten, die ihn wegen Impotenz konsultierten, auch gleichzeitig Besitzer von Mobiltelefonen waren. Wir fragen uns: Was war zuerst da? Das Mobiltelefon, dessen elektromagnetische Wellen sich bleischwer auf des Mannes bestes Stück legten? Oder die Impotenz, nach dem Motto: Her mit dem Mobiltelefon, damit wenigstens eine Leitung steht?
Hallo Dr. Yeh Wan Fang! Bleiben Sie dran!
Sicher ist Ihnen, verehrte Blogleser, ein gewisser männerfeindlicher Unterton nicht entgangen, der da in meinem Text mitschwingt. Das war damals so, müssen Sie wissen. Ohne eine ordentliche Portion Männerfeindlichkeit kriegte man keinen Text irgendwo unter. Diesen habe ich, so wie es aussieht, im Jahr 1997 für die männerfeindliche Frauenzeitschrift Cosmopolitan geschrieben. Damals wurde ich übrigens für meine Männerfeindlichkeit sogar von Männern bezahlt, ganz im Ernst, jahrelang habe ich eine Kolumne im Playboy geschrieben, im Wechsel mit Tony Parsons, der seinerseits für Frauenfeindlichkeit bezahlt wurde. Ich hatte aber die besseren Leserbriefschreiber. Hier sind zwei, die ich mir aufgehoben habe:
Ein Leserbrief aus Regensburg:
Gerade Extremfeministinnen haben in den letzten Jahren zunehmend Positionen in empfindlichen Bereichen der Öffentlichkeit errungen, vor allem in den Medien. Sie sind inzwischen dort in einem Ausmaß überproportioniert vertreten, dass man sich fragt, wo denn die vielen anderen intelligenten und ernsthaften Frauen sind, die wir ja gerade in Bayern (bei dem großen Bevölkerungsreservoir) haben, warum aber so vielen fragwürdigen Leuten das Feld überlassen wird?
Die Feministinnen sind nicht naiv, sie gehen mit System vor, mit ihrem inzwischen gut ausgebauten Netz rollen sie schleichend die Gesellschaft von innen her auf. Sie betreiben eine Um- und Entwertung der Werte unabsehbaren Ausmaßes. Zu diesem System gehört es unter anderem, den Mann (Gibt es „den Mann“ überhaupt?) in seinem körperlichen, psychischen und geistigen Erscheinungsbild total zu degradieren.
Es ist daher für Frau Reski nur konsequent, dass sie unter anderem sogar genetisch determinierte Merkmale, für welche deren Träger gar nichts können, wie zum Beispiel einen kleinen Körperwuchs oder Alopecie (Glatzköpfigkeit) hernimmt und zur totalen Verallgemeinerung schreitet, um ihr übles Verhöhnungsspiel zu treiben.
Ein Leserbrief aus Markt Schwaben:
Ich glaube, dass Petra in ihrem früheren Leben mit den Horden von Dschingis Khan auf einem weißen Hengst durch Eurasiens Steppen galoppiert ist. Alle Achtung. Seit Jahren habe ich die gesammelten Werke der Playboy-Kolumne, von mir ergeht ein Literatur-Preis an Petra Reski – was es doch für fantastische Mädels gibt. Ich denke zum Vergleich daran: Ich komme abends nach Hause, trete in die Diele, und im Sessel sitzt keine blondrote, grässliche und zermantschte Renate mehr, afro-indisch gelockt und drauf geregnet. Das sind beglückende Momente. Oh Gott, die Welt kann auch schön sein, man muss nur die richtigen Träume haben.
Damit möchte ich zum Ausdruck bringen: Haltet Euch die Lady warm! Den Playboy würde ich auch kaufen, wenn er aus 130 Seiten Reklame und nur einer Seite Reski-Kolumne bestehen würde. Also Jungs, grüßt mir Petra und macht weiter wie bisher mit dem Macho-Puzzle!
Es war eben nicht alles schlechter, früher.