Am Samstag geht es hier wieder los. Mit Rollenkoffern werden wir gegen die Vertreibung der letzten Venezianer demonstrieren: #VENEXODUS. Inzwischen sind wir nur noch:
54 927 Venezianer – allein in den letzten 20 Jahren verließen mehr als 20 000 Venezianer ihre Stadt. Endgültig.
Nicht, dass diese Tatsache einen venezianischen Politiker beunruhigt hätte, ganz im Gegenteil. Der jetzige Bürgermeister hat noch nie in Venedig gewohnt, sondern in Mogliano Veneto. Wie seine Vorgänger auch betrachtet er die letzten Venezianer als widerborstigen Rest, den es noch zu beseitigen gilt, damit die Stadt endlich ungestört von Kreuzfahrtschiffsbetreibern und Airbnb bespielt werden kann.
A apropos Airbnb: Unser Haus hat sich ja in ein Hotel verwandelt. Und wir werden als Portiers betrachtet, die es auch hinnehmen müssen, dass ein Mal im Monat Wasser durch die Decke kommt, weil die Ferienwohnungen nicht für ihre Belastung ausgerichtet sind.
Noch mal apropos: Im sizilianischen Trapani ist vor kurzem ein Tourist in einem Airbnb durch eine Kohlenmonoxidvergiftung ums Leben gekommen, sein Mitbewohner liegt im Koma – infolge eines nicht ordentlich gewarteten Schornsteins. Denn anders als ein Hotel, dessen Betreiber ständig vom Gesundheitsamt, vom Ordnungsamt etc.pp. kontrolliert werden, wird eine Ferienwohnung von niemandem kontrolliert – man mietet sie auf eigene Gefahr. Und Kohlenmonoxidvergiftungen kommen in Italien häufiger vor, als man vermuten könnte. Das nur so, als Tipp, für alle, die demnächst mal wieder für ihre Ferien günstig eine Wohnung mieten wollen. Könnt Ihr gerne machen. Kann nur sein, dass Ihr am nächsten Tag nicht mehr aufwacht … Ja, ja, gemein. Aber eben auch wahr.
Aber zurück zur Rollenkoffer-Demo morgen. (In dem Augenblick in dem ich das schreibe, höre ich, wie wieder ein Rollenkoffer durch unseren Hof gerollt wird. Es hört nie auf, nicht mal Mitte November) Organisiert hat die Demonstration die Gruppe Venessia.com, die von Matteo Secchi ins Leben gerufen wurde. Er hat Venedig bereits im Jahr 2009 spektakulär zu Grabe getragen: ein Leichenzug, der es bis in die Sendungen von CBS und Al Jazeera schaffte.
Damit Venedig nicht zu einer Art Pompeji verkommt, werden wir also morgen vom Campo San Bartolomeo zum venezianischen Rathaus Ca‘ Farsetti rollen – das auch„Ca’ Farsetti Real Estate“ genannt wird, weil ein Federstrich des Bürgermeisters reicht, um die Nutzungsbestimmungen eines Gebäudes zu ändern und so den Wert zu vervielfachen.
Solidarität wird bereits aus vielen Städten der Welt signalisiert: Aus New Orleans, Orlando, Los Angeles, Bonn, Warschau, London, Stockholm, Marseille, Belgrad, Tokyo, Buenos Aires. Anders als die venezianischen Stadtväter lieben wahre Venedigliebhaber die venezianische Lebensart. Die kurz davor ist, von chinesischen Taschenläden, Ein-Euro-Shops, Airbnb, Pizza&Pasta-to-go und Kreuzfahrtschiffen erstickt zu werden.
Aber ohne Venezianer ist Venedig tot.
Schon jetzt ist es in der Presse zu einem wahren Candystorm für die Venezianer gekommen, nachzulesen in der Wiener Zeitung, im Telegraph, in der Salzburger Zeitung, in der Kleinen Zeitung und in den Südtirol News.