Gestern las ich, dass das Buch „Emanzipation im Islam“ von Sineb El Masrar auf Geheiß des Landgerichts München geschwärzt werden müsse. Die islamische Organisation Milli Görüs erwirkte die einstweilige Verfügung. DIE WELT hat darüber berichtet und auch ein schönes Foto von der geschwärzten Passage veröffentlicht:
Mich hat das Urteil natürlich neugierig gemacht, auf das Buch (leider ist es erst am 28. April wieder lieferbar, weshalb es vielleicht ganz nützlich ist, bis dahin die vom Freitag veröffentlichte Leseprobe zu lesen) und auf die Autorin, Tochter marokkanischer Einwanderer und, wie ich dem Wikipedia-Eintrag entnehme, Gründerin des ersten deutschen multikulturellen Frauenmagazins Gazelle (sehr interessante Texte, unbedingt mal einen Blick reinwerfen!).
Im Ausland ist man über die deutsche Praxis, missliebige Bücher dank des Persönlichkeitsrechts zu schwärzen (wie es auch bei den Büchern von Francesco Forgione „Mafiaexport“ oder von Jürgen Roth „Mafialand Deutschland“ der Fall war) sehr erstaunt – ich habe darüber bereits mehrmals geschrieben, unter anderem hier, anlässlich der einstweiligen Verfügung gegen den MDR-Film über die ‘Ndrangheta in Erfurt, oder auch in der taz:
Mit der vermeintlichen Verletzung des Persönlichkeitsrechts lassen sich nicht nur Berichte über mutmaßliche Stasi-Kontakte eines Politikers stoppen, sondern auch über Mafiosi und ihre Verbindungen in Politik und Wirtschaft. Wer gegen einen Artikel oder ein Buch klagen will, kann sich das Gericht und sogar den Richter aussuchen – und wendet sich dabei an Gerichte, die für ihre Pressefeindlichkeit bekannt sind. Ende der Berichterstattung. Als mein Buch „Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“ erschien, verklagten mich mehrere italienische Gastronomen – und weder diverse BKA-Berichte, Aussagen hochrangiger Antimafia-Ermittler noch kiloweise Ermittlungsunterlagen italienischer und deutscher Staatsanwaltschaften reichten aus, um die Gerichte zu überzeugen, dass die eigentliche Aufgabe eines Journalisten in der Verdachtsberichterstattung besteht – und nicht darin, lediglich erfolgte Urteile zu referieren. Wir wurden dazu verurteilt, Passagen des Buches zu schwärzen und Schmerzensgeld für das erlittene Unrecht zu zahlen.
In dem Zusammenhang finde ich die Ausführungen von Hamed Abdel-Samad interessant, der sich in seinem Buch „Mohamed. Eine Abrechnung“ die Frage stellte: „Sind der Islam und die Mafia vergleichbar?“ und erstaunliche Parallelen im Hinblick auf Entstehungsgeschichte, Strukturen, Freund und Feind, Raubüberfälle und Schutzgelderpressung, unbedingter Gehorsam und die Abstrafung von Abtrünnigen und Kritikern feststellte.
Und wer jetzt hier – auch angesichts der seit drei! Wochen! andauernden! Böhmermann-Staatskrise in Deutschland anti-islamische Gefühle wähnt und sofort was lostwittern möchte, dem sei zur Beruhigung gesagt, dass ich in meinem geschwärzten Buch „Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern„, das in der italienischen Übersetzung übrigens den schönen Titel „Santa Mafia“ trägt, die Gemeinsamkeiten zwischen der Mafia und der katholischen Kirche aufgeführt habe.