Normalerweise treibt sich in den Kommentarspalten meines Blogs nur ein einsamer Troll herum, der mir wegen seiner Anhänglichkeit schon fast ans Herz gewachsen ist. Ganz anders ist das jedoch seit diesem Post über die Feuerbakterien: Seitdem ich darüber berichtete, dass die Staatsanwaltschaft von Lecce gegen zehn Personen ein Ermittlungsverfahren eröffnet und die zu fällenden Olivenbäume beschlagnahmt hat, stelle ich mit Erstaunen fest, dass der Post wie verrückt kommentiert wird. Erstaunlich, dieses überraschende Interesse.
Spannend ist an den Ermittlungen vor allem, mit welcher Akribie die Staatsanwaltschaft auf den 58 Seiten ihres Beschlagnahmungsbefehl aufgedröselt hat, wie mit den „unrettbar“ infizierten Olivenbäumen viele glücklich gemacht werden sollen: Agrarmultis konnten ihre Gifte „testweise“ anwenden, Forscher wurden mit Forschungsgeldern beglückt, Landbesitzer mit der Hoffnung, endlich die ihnen im Weg stehenden jahrhundertealten Olivenbäume loszuwerden: ein Verlust, versüßt mit anfangs 146 Euro, demnächst sogar mit 261 Euro pro gefällten Olivenbaum. Und nicht zuletzt mit der Aussicht (?), das Land endlich bebauen zu können. Und die Olivenölproduzenten in den anderen europäischen Ländern sind über die „Plage“, die über ihre apulischen Konkurrenten hereingebrochen ist, sicher auch nicht unglücklich.
Wer des Italienischen mächtig ist, mag sich dazu auch diese Dokumentation ansehen, die vor kurzem auf RAI tre lief. Spannend an den Ermittlungen ist vor allem die Feststellung der Staatsanwaltschaft, dass die ersten Fälle von vertrockneten Olivenbäumen bereits in den Jahren 2004-2006 und 2008 gemeldet und als Fälle von „Olivenlepra“ katalogisiert wurden, woraufhin die vertrockneten Olivenbäume 2011 auf (nicht genehmigten) „Experimentierfeldern“ massiv mit Pflanzenschutzmitteln des Agromultis Monsanto behandelt wurden – Olivenbäume, die zum Teil danach sogar in Brand gesteckt wurden.
Meine geschätzte Kollegin Anke Sparmann hat über Monsantos Verkaufsschlager Glyphosat, der an den apulischen Olivenbäumen angewendet wurde, einen hochspannenden Artikel in der ZEIT geschrieben, dessen Lektüre ich allen ans Herz legen möchte. Darin schreibt sie:
Glyphosat ist das erfolgreichste und meistverkaufte Pestizid der Welt. Vom amerikanischen Agrarkonzern Monsanto 1974 in den Vereinigten Staaten unter dem Namen Roundup auf den Markt gebracht, ist es heute rund um den Globus im Einsatz. Das Pestizid hat sich zu einem der wichtigsten Treibstoffe der konventionellen Landwirtschaft entwickelt. Amerikanische Maisfarmer, indische Baumwollbauern, argentinische Sojabarone und deutsche Getreidelandwirte, sie alle sprühen Glyphosat auf ihre Felder. Denn dieser Wirkstoff tötet die Vogelmiere und das Rispengras, den Weißen Gänsefuß und die Acker-Kratzdistel. Es tötet praktisch jede Art von Unkraut, überall auf der Welt.
Und womöglich nicht nur das Unkraut.
Anke Sparmann hat in ihrem Artikel sehr schön beschrieben, auf welch unheimliche Art die Gutachten zustande kommen, auf die sich die EU stützt, um zu entscheiden, ob das Pflanzengift Glyphosat nun krebserregend ist oder nicht: Während die Krebsforschungsagentur der WHO zu dem Ergebnis kommt, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend“ ist, stützt sich die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bei ihrer Beurteilung auf das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung, für die Glyphosat „nicht krebserregend“ ist, was die Europäische Behörde etwas vorsichtiger als „wahrscheinlich nicht krebserzeugend“ ausdrückt:
Dieser (vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung verfasste, kurz: BfR) Bericht über die mögliche toxische Wirkung von Glyphosat ist nicht weniger als 947 Seiten lang. Das lässt zunächst eine beeindruckende Gründlichkeit vermuten. Bei genauerem Hinsehen allerdings stellt man fest, dass das BfR den Report gar nicht selbst erstellt hat. Verfasser ist die Glyphosate Task Force, die Glyphosat-Arbeitsgruppe. Das wiederum hört sich nach einem interdisziplinären Gremium an, aber auch dies ist ein Irrtum. In der Glyphosate Task Force arbeiten die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln zusammen, genauer: jene Unternehmen, die beantragt haben, Glyphosat innerhalb der EU verkaufen zu dürfen.
Der 947 Seiten starke Bericht besteht im Wesentlichen aus Zusammenfassungen von Studien, in denen die Unternehmen selbst die gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat untersuchen ließen.
Nun müssen von Pestizidherstellern finanzierte Studien über Pestizide nicht notwendigerweise unseriös sein. Man würde sich nur gerne selbst ein Bild von diesen Untersuchungen machen. Das aber ist kaum möglich. Die Studien wurden nie veröffentlicht. Und viele Angaben zu den Studien – Verfasser, durchführendes Labor – sind in dem BfR-Bericht sogar geschwärzt.
Sehr gut lesbar aber ist das abschließende Fazit: nicht krebserregend.
Vor diesem Hintergrund bekommt eine Äußerung von Robert Fraley, dem stellvertretenden Vorstandschef von Monsanto, eine ganz eigene Bedeutung. Nachdem die Efsa im November ihre Einschätzung zu Glyphosat abgegeben hatte, die in weiten Teilen auf den Studien der Hersteller beruhte, twitterte Fraley: „Science wins!“ Die Wissenschaft hat gesiegt! Dass es vor allem seine eigenen Studien waren, auf die er sich damit berief, sagte er nicht.
Ähnlich kann man sich das bei den Gutachten über den Befall mit der Feuerbakterie vorstellen. Und deshalb wundert mich auch nicht, dass der Ton in den Kommentarspalten zum Teil so klingt wie dieses „Science wins“: Ja, die Laien sollen mal schön die Klappe halten und den Wissenschaftlern das Wort überlassen. Weshalb in der Feuerbakterienangelegenheit natürlich auch sofort „seriöse“ naturwissenschaftliche Medien eingespannt wurden, um die Wissenschaftler aus Bari zu verteidigen, gegen die nun ermittelt wird – nachzulesen etwa im amerikanischen Nature.
Und wenn nichts anderes mehr zieht, dann erklärt man die Kritiker zu Verschwörungstheoretikern – zu denen man ohnehin automatisch gerechnet wird, sobald man das Wort „Monsanto“ auch nur ausspricht. Aber was hilft’s? Die beiden Gesellschaften, die sich hinter dem „testweisen“ Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Apulien verbergen, heißen nun mal Monsanto und BASF. Und dass Monsanto 2008 die brasilianische Biotechnikfirma Allelyx (Anagramm von Xylella) erworben hat, die ein Patent für Olivenbäume entwickelt hat, die angeblich resistent gegen die Feuerbakterie sind. In die gleiche Firma Allelyx hat auch BASF 13,5 Millionen Euro investiert – ist wahrscheinlich auch nur ein blöder Zufall.
Wie es auch ein Zufall sein kann, dass in den Medien schon so etwas zu lesen ist:
Was derzeit in Apulien passiere, sei eine Tragödie. „Die Region hat in den vergangenen 20 Jahren viel in den Olivenanbau investiert. Die Qualität des Öls aus der Region ist sehr gut geworden“, sagt Fiebig. Er hofft, dass die Bauern finanzielle Hilfe erhalten und ihren Betrieb wieder aufbauen. „Es gibt mittlerweile neue Züchtungen, die bereits nach fünf Jahren Erträge bringen. Das wäre eine Chance für die Menschen dort.“
(nachzulesen zu einem Beitrag, den der WDR im Frühjahr 2015 zum Thema Feuerbakterien gemacht hat.)
In Apulien gibt es bereits viele Fälle von als „tot“ deklarierten Olivenbäumen, die mit einfachsten und traditionellsten Methoden wieder zum Leben erweckt wurden. Umweltschützer raten den Olivenbauern, deren Land sich längs von Nationalstraßen etc. befindet, bei „plötzlich“ vertrockneten Olivenbäumen Bodenproben zu entnehmen und die Blätter des Olivenbaums ebenfalls untersuchen zu lassen. Und auf jeden Fall Videokameras entlang der Felder zu installieren. Und gegebenenfalls Anzeige gegen Unbekannt zu erstatten.
Als Schriftstellerin warte ich jetzt auf den nächsten Cliffhanger.