Der Feuerbakterien-Krimi geht weiter

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In diesem Blog, in GEO und zuletzt in der ZEIT habe ich über die obskure „Invasion“ der Feuerbakterien in Apulien geschrieben:

In Apulien, dem Stiefelabsatz Italiens, stehen der Bauspekulation heute 70 Millionen Olivenbäume im Weg: Seitdem der Salento, der südliche Teil Apuliens, vom Tourismus entdeckt wurde, ein großer Teil der Küste aber unter Naturschutz steht, dringen die Spekulanten in das Hinterland ein. In eine Landschaft, deren Gesicht seit Jahrtausenden von Olivenhainen geprägt ist – und nicht von Hotelanlagen, Golfplätzen, Schnellstraßen, Einkaufszentren, Feriendörfern, die erst gebaut werden können, wenn die unter Naturschutz stehenden Olivenbäume beseitigt sind. Im Herbst 2013 befiel eine unerklärliche Krankheit die Olivenbäume, Xylella fastidiosa, Feuerbakterien. Besonders in der Gegend um Gallipoli haben manche Olivenbäume ihr Laub abgeworfen, verdörrte Äste recken sich in den Himmel, es sieht aus, als hätte jemand das chemische Entlaubungsmittel Agent Orange eingesetzt. Und damit kommt man der Wahrheit vermutlich sehr nahe, denn die Invasion der Feuerbakterien erinnert an einen Krimiplot – enthüllt haben ihn Umweltschützer aus dem Salento, inzwischen berichtet darüber sogar Rai 1 in seiner Hauptnachrichtensendung: Am Anfang steht 2010 ein Kongress an der Universität Bari, an dem auch Forscher aus Berkeley teilnehmen, was im Salento eine gewisse Skepsis auslöst. Einige Wissenschaftler haben – zu Forschungszwecken für einen Workshop – die Xylella fastidiosa mitgebracht und warnen vor dem Killerbakterium, das eine Gefahr für die Olivenhaine darstelle. Die apulischen Olivenbauern wundern sich: Bislang hat die Feuerbakterie zwar Weinstöcke und Zitrusfrüchte befallen, nie aber Olivenbäume. Drei Jahre nach dem Kongress treten im Salento die ersten Fälle von vertrockneten Olivenbäumen auf. Und die Staatsanwaltschaft stellt fest, dass es kein Protokoll gibt über die gesetzlich vorgeschriebene Vernichtung des Feuerbakteriums, das zu Forschungszwecken mitgebracht wurde.

Die jahrhundertealten Olivenbäume Apuliens werden zwar in einem Kataster aufgeführt, in einem Register, das den Standort und das Alter eines jeden einzelnen Baums verzeichnet – sie aber dennoch nicht schützt: Normalerweise muss für einen gefällten Olivenbaum ein neuer gepflanzt werden – diese Regelung entfällt aber, wenn er von dem Feuerbakterium befallen war. Dann kann auf dem Boden gebaut werden. Außerdem gibt es EU-Gelder für die Beseitigung der erkrankten Olivenbäume – da kann es manchen gar nicht schnell genug gehen mit der Invasion der Feuerbakterien.

Und die EU-Gelder sind dabei mehr Fluch als Segen.

 

Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Lecce ein Ermittlungsverfahren gegen 10 Personen eröffnet, darunter praktisch alle Verantwortlichen für den „Kampf“ gegen die Feuerbakterien: mehrere hohe Beamte der Region Apulien, der Chef der regionalen Pflanzenschutz-Beobachtungsstelle, Forscher und mehrere leitenden Universitätsdozenten der Universität Bari, der Chef der Forstpolizei (die wiederum dem Landwirtschaftsministerium untersteht) – der als „außerordentlicher Kommissar“ die „Bekämpfungsaktion“ gegen die Feuerbakterie leitete.

An Delikten wird ihnen Urkundenfälschung, vorsätzliche Verbreitung einer Pflanzenkrankheit, fahrlässiges Herbeiführen von Umweltverbrechen und Zerstörung von Naturschönheiten vorgeworfen. Zuletzt hat die Staatsanwaltschaft auch Olivenbäume beschlagnahmt, um sie davor zu bewahren, gefällt zu werden.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Verantwortlichen der Europäischen Gemeinschaft gegenüber (dank derer ein warmer Geldregen auf diejenigen niederging, die ihre Olivenbäume fällen ließen) falsche Angaben über die genauen Ursachen der Ausbreitung der Feuerbakterie gemacht haben: Der Plan, den der Chef der Forstpolizei als außerordentlicher Kommissar machte, sollte zur „drastischen und systematischen Zerstörung der Landschaft des Salento führen“, schreiben die beiden federführenden Staatsanwältinnen.

Den Ermittlungen zufolge wurde das Feuerbakterium auf mehrere Weisen verbreitet: eine ist der besagte Kongress 2010 an der Universität Bari, für den ein Erreger nach Italien gebracht wurde, der normalerweise der Quarantäne unterliegt.

Nach „Ausbruch“ der Feuerbakterieninvasion wurde für die Gegend um Gallipoli „testweise“ der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln freigegeben – die die Immunabwehr der Olivenbäume noch mehr schwächten und die Verbreitung der Feuerbakterie weiter stimulierten.

Die beiden Gesellschaften, die sich hinter dem „testweisen“ Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbergen, heißen Monsanto und BASF. Monsanto hat 2008 die brasilianische Biotechnikfirma Allelyx (Anagramm von Xylella) erworben, die ein Patent für Olivenbäume entwickelt hat angeblich resistent gegen die Feuerbakterie sind. In die gleiche Firma Allelyx hat auch BASF 13,5 Millionen Euro investiert.

In Italien sagt man: Nimm das Schlechteste an, und du liegst richtig.