Wir sind die lebenden Zeugen Eures Schweigens

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Ja, es war eigenartig, am Tag nach den Pariser Attentaten nach Rom zu fahren, um an einer Antimafia-Demonstration teilzunehmen. Aber wie Salvatore Borsellino, der Bruder des ermordeten Antimafia-Staatsanwalts Paolo Borsellino richtig sagte: „Wir sind auch im Krieg – im Krieg für Gerechtigkeit.“

Salvatore Borsellino ist Begründer der Antimafia-Bewegung „Agende Rosse“, die diesen Namen in Anspielung auf Paolo Borsellinos roten Taschenkalender trägt, in dem er sich Notizen machte und Verabredungen eintrug. Es gibt ein Foto von dem Carabiniere, der Borsellinos Aktentasche an den noch rauchenden Autowracks vorbeiträgt. Von diesem Tag an blieb der rote Kalender verschwunden – und wurde zur Metapher für die Verbindungen zwischen Politik und Mafia.

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Es waren die Agende Rosse, die diese Solidaritäts-Demonstration für den Staatsanwalt Nino Di Matteo organisiert haben: Er führt den Prozess, der den Pakt entschleiern soll, hinter dem sich das schmutzigste Familiengeheimnis Italiens verbirgt, die Trattativa, der Pakt zwischen dem italienischen Staat und der Mafia. Ein Pakt – der auch gleichzeitig zu den Hintergründen und den Auftraggebern an den Morden an den beiden Staatsanwälten Giovanni Falcone und Paolo Borsellino führt. (Mehr zur Trattativa und zu Nino Di Matteo auch hier und hier.)

Und weil dieser Pakt zwischen dem italienischen Staat und der Mafia bis heute währt, muss Nino Di Matteo mit 42 Leibwächtern leben, während der Boss Totò Riina sich hinter Gittern ankündigen darf, dass Nino di Matteo „absgeschlachtet werde wie einen Thunfisch“.  Mehrere abtrünnige Mafiosi berichteten davon, dass der Sprengstoff für das Attentat bereits in Palermo angekommen sei  – aber bis heute hat es kein Regierungspolitiker es für nötig gehalten, auch nur eine Silbe der Solidarität von sich zu geben, geschweige denn ein winzigen Tweet.

Und deshalb lautete das Motto der Solidaritätsdemonstration für Nino Di Matteo: „Wir sind die lebenden Zeugen Eures Schweigens“

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P.S.: Die einzige Zeitung, die über die Solidaritätsdemonstration berichtet hat, war Il Fatto Quotidiano.