Heldin für einen Tag

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Heute in der Krimibeilage der SZ: eine Rezension meines neuen Romans „Die Gesichter der Toten“. Und damit Sie, meine lieben Blogleser, sich nicht die Mühe machen müssen, auf den Link zu klicken, geht es hier bequem weiter:

In ihrem zweiten Mafia-Thriller „Die Gesichter der Toten“ lässt Petra Reski einen Teil der Handlung in Deutschland stattfinden.

Von Kristina Maidt-Zinke
Das Problem aller Mafia-Krimis ist, dass sie das Schema der Ermittlung und Bestrafung des Täters, der einstweiligen Wiederherstellung von Recht und Ordnung nicht bedienen können. Denn die Mafia ist ihrer Natur nach eine Hydra mit unablässig nachwachsenden Köpfen und ihr System mittlerweile weltweit so verzweigt, dass es wenig zählt, ob einer ihrer Bosse dingfest gemacht wird oder nicht. Und doch muss es denen, die es mit dem krakenhaften Ungeheuer aufnehmen, immer wieder genau darum gehen. Getreu dem Motto von David Bowie, das Petra Reski dem zweiten Fall ihrer couragierten Staatsanwältin Serena Vitale vorangestellt hat: „We can beat them / Just for one day / We can be Heroes / Just for one day“.

Der Vorteil von Mafia-Krimis: Das Prinzip der Serie ist ihnen so immanent wie kaum einem anderen Genre. Reski, aus Unna stammende Journalistin und Autorin mit Wohnsitz in Venedig, engagiert sich seit Jahrzehnten gegen die Ehrenwerte Gesellschaft und ging nicht nur mit Enthüllungen über deren Machenschaften in Deutschland ein hohes persönliches Risiko ein. Im vorigen Jahr ließ sie ihre sizilianische Ermittlerin, als Gastarbeitertochter im Ruhrgebiet aufgewachsen, die Krimi-Bühne betreten und an der „Palermo Connection“ abprallen. Soeben erschien die Fortsetzung „Die Gesichter der Toten“, die wiederum keinen Entscheidungsschlag gegen die Mafia vorführt, dafür aber den Wiedererkennungsfaktor von Charakteren, Milieus und Figurenkonstellationen stärkt.

Wenn eine Expertin wie Reski das unendliche Gefecht in die Fiktion verlagert, darf man einerseits hart recherchierte Tatsachen dahinter vermuten, andererseits voraussetzen, dass die Realität immer noch um einige Drehungen krasser ist. Der Name ihrer ethisch gefestigten, erotisch dagegen sehr flexiblen Heldin ist als Programm gegen Niederlagen und Bedrohungen konstruiert – aber man erfährt, dass die „Heitere, Lebenskräftige“ in Wirklichkeit, genuin sizilianisch, „Santa Crocifissa“ mit Vornamen heißt, die gekreuzigte Heilige, was einen Hang zum Märtyrertum nahelegt. Sie trägt mit Vorliebe enge schwarze Röcke, hat eine Sammlung von Heiligenfiguren in ihrem Büro und trinkt in diesem Roman den ersten Spritz ihres Lebens – in Köln. Ironische Widersprüche kennzeichnen auch ihr deutsches Pendant, den Hamburger Journalisten Wolfgang Wieneke, ein Opfer der von Reski treffend analysierten „Zeitungskrise“, der sich vom Loser zum tapferen Enthüllungs-Heros aufschwingt.

Es war klug, einen Teil der Handlung an deutsche Schauplätze zu verlagern, an denen die Autorin sich gründlich auskennt, und aus einem quasi-touristischen Fremdeln gegenüber Sizilien kein Hehl zu machen – ihren Andrea Camilleri haben die Italiener schließlich selbst. Nicht minder klug ist es, auf drastische Gewaltszenen zu verzichten und Sexuelles zwar verheißungsvoll anzudeuten, aber nicht detailliert auszumalen: So gewinnt man ein weibliches Lesepublikum für Mafia-Thriller, die übrigens, wie Reski beweist, auch komische Passagen haben dürfen, ohne dass der Ernst der Lage verharmlost würde. Diese sympathisch unbotmäßige Ermittlerin weiß, dass die Mafia viele Gesichter hat: Die der Toten sind nur die Spitze des Eisbergs.

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