Ich weiß nicht, wie viele chinesische 1-Euro-Shops es in Venedig schon gibt, ich kann sie nicht mehr zählen. Ebenso wenig kann ich die chinesischen Taschenläden zählen, hier ein paar Impressionen aus San Marco, Calle Fuseri, Campo San Luca und so weiter, heute morgen im Vorbeigehen geknipst.
Normalerweise sehe ich sie gar nicht mehr. Ich blicke nach oben in den Himmel, betrachte die Schwalben oder ein barockes Ornament, das mir so noch nie aufgefallen ist, kontrolliere meine Mails – und stoße mit einer russischen Reisegruppe zusammen, die gerade durch die Gassen getrieben wird.
Und ja, in all diesen Läden war bis vor ein paar Jahren ein Metzger, ein Gemüsehändler, eine Parfümerie, ein Vertrieb von Bohnermaschinen, ein Schreibwarenhändler.
Aber weil durchreisende Touristen keine Bohnermaschinen brauchen, sondern von einem unstillbaren Verlangen nach chinesischen Schweinsledertaschen geplagt werden und die venezianischen Vermieter nach dem Mehr! Mehr! Mehr! gieren – gerade hat der letzte Tabakladen hier in San Marco geschlossen, weil er die 8000 Euro Monatsmiete nicht bezahlen konnte – sieht es hier so aus. Bis vor kurzem sah man in jedem Laden einen schwarzen Kopf im Hintergrund, der chinesische Verkäufer, der hinter der Theke saß. Aber als die Chinesen bemerkten, dass der schwarze Kopf im Hintergrund langfristig geschäftsschädigend ist, weil dann auch die Touristen anfingen herumzukritteln, nach dem Motto: Wie schrecklich ist das denn, wenn in unserem romantischen Venedig nur noch Chinesen in den Läden sitzen?, sind die Chinesen dazu übergegangen, italienische Verkäuferinnen einzustellen und das Ganze Made in Italy zu nennen.
Das Problem ist nur: Die italienischen Verkäuferinnen halten nicht so lange. Sie wollen dieses und jenes, bezahlte Ferien, das Wochenende frei, und eine Mittagspause noch dazu, ein Ausflug in die Bar, weil Espressotrinken in Italien ein Menschenrecht ist, und wenn sie länger als acht Stunden arbeiten sollen, fangen sie schon an zu quengeln. Also sind die Chinesen auf die Idee gekommen, auf rumänische oder ukrainische oder moldawische Verkäuferinnen auszuweichen. Die vom Look her glatt als Italienerinnen durchgehen könnten, jedenfalls für Chinesen. Die man ja auch nicht auseinanderhalten kann.
Von den Chinesen lernen, heißt siegen lernen.