The day after

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Ich gebe es zu: Mir standen die Tränen in den Augen, als ich gestern sah, wie Millionen Je suis Charlie skandierten und die Marseillaise sangen. Nationalhymnen sind meine schwache Seite, wenn Sie mich zum Weinen bringen wollen, müssen Sie mir nur eine Nationalhymne vorspielen, schon spritzen mir die Tränen aus den Augen. Egal, ob das die unsingbare italienische ist, „Fratelli d’Italia“ oder die Marseillaise, wobei die Strophe „mit dem unreinen Blut die Ackerfurchen zu wässern“ in diesem Zusammenhang vielleicht etwas heikel ist.

Wie alle anderen auch, habe ich in diesen Tagen nichts anderes gemacht, als zu lesen und im Netz herumzuklicken, mit dem niederschmetternden Ergebnis, dass die Aluhüte wieder Futter für neue Verschwörungstheorien gefunden haben, die Pepita-Anhänger sich in ihren Ängsten-die-endlich-mal-ernst-genommen-werden-sollten bestätigt fühlen, die Ängstlichen in ihrem „Ja, aber“, die dauerbeleidigten Muslime in ihrem Beleidigtsein, die US-Analysten in ihrer Rechthaberei („Attentäter waren Profis“ – holla!). Ich stellte fest, dass die Arm in Arm marschierenden Politiker immer schon für die Pressefreiheit waren (was Marco Travaglio und den Guardian ebenfalls erstaunte), Sarkozy sich in die erste Reihe drängelte, selbst die Hamburger Morgenpost  sich jetzt um die Pressefreiheit sorgt, Karikaturisten sich nun  dafür rechtfertigen müssen, warum sie noch keine Mohamed-Figur gezeichnet haben und falls doch, sagen müssen, ob sie deshalb jetzt Angst haben, der britische Journalist Glenn Greenwald mehr Blasphemie für alle fordert und die SZ, „als Zeichen dafür, dass der erste Schock vorüber ist“, es als nötig betrachtet, umfassend die Kritik an der Solidarität mit Charlie Hebdo zu referieren. Und dass Saudi-Arabien, Deutschlands wichtigster Wirtschaftspartner in der arabischen Welt, einen Blogger auspeitschen lässt, ohne dass außer Amnesty international jemand mit der Augenbraue zuckt.

Kurz: Es ist so wie immer. Außer für die Familien der Ermordeten.