Heute morgen im Justizpalast Palermo. Kein Witz. Auch kein Zitat aus „Palermo Connection“, sondern echt. Tage zuvor wurde ein Projektil gefunden, und davor hatte der Generalstaatsanwalt von Palermo in seinem (hochgesicherten) Büro auf dem Schreibtisch einen Drohbrief vorgefunden, ganz eindeutig nicht aus der Feder eines Mafiabosses, sondern verfasst von den Geheimdiensten. Die in solchen Fällen gerne „fehlgeleitet“ genannt werden. Und dazu jetzt tatsächlich ein Zitat aus Palermo Connection:
„Vito Licata seufzte. Ich weiß. Du denkst an fehlgeleitete Geheimdienste.
Serena stöhnte auf. Wenn du noch einmal fehlgeleitet sagst, erschlage ich dich. Wenn es die Aufgabe der fehlgeleiteten Geheimdienste ist, unbequeme Zeugen umzubringen und mafiöse Politiker zu schützen, dann möchte ich mir gar nicht vorstellen, wozu die Geheimdienste fähig sind, wenn sie richtig geleitet werden.“
(Palermo Connection, S. 199. Sorry. Muss auch mal sein)
Der Generalstaatsanwalt führt in zweiter Instanz einen Prozess gegen einen hochrangigen Carabiniere-General und Ex-Geheimdienstchef Mario Mori, der im Verdacht steht, mit der Mafia zusammenzuarbeiten. Die Aufnahmen der Bewachungsvideokameras im Justizpalast wurden übrigens gelöscht, von „Unbekannten“, wie es so schön heißt. Als Romanautorin wäre mir das übrigens zu banal.
Und zeitgleich werden die Staatsanwälte, die den Prozess über die sogenannte „Trattativa“ führen, massiv bedroht – und nicht nur das: Der Boss Totò Riina forderte vom Gefängnis aus zum Mord an Nino di Matteo, dem Chefankläger an. (Zur „Trattativa“, den Geschäftsbeziehungen zwischen dem italienischen Staat und der Mafia, auch hier und hier.)
Seit letztem Jahr befindet sich Italien in einem aufwändigen Prozess der Restauration. Nach dem Schock des Wahl im letzten Jahr, (remember: die 5SterneBewegung zog mit einem Viertel der Stimmen in das Parlament ein) galt es, zu retten, was zu retten ist. Renzi und der Gewohnheitsverbrecher B. setzten sich zusammen, zum Pakt des Nazareno (so genannt, weil die Unterredung in der Parteizentrale der PD stattfand). Als Minister wurden junge Wasser&Seife-Gesichter eingesetzt, nette Mädchen und nette Jungs, die weder belastende Vorgeschichten noch politische Ansichten haben.
Der Deal: B. hält in der Öffentlichkeit die Klappe. Renzi redet dafür um so mehr.
Renzi ist im Radio, im Fernsehen, in allen Zeitungen, er fließt aus dem Wasserhahn, es gibt ihn auch in Tablettenform. Renzi ist ein besserer und jüngerer Berlusconi, einer, wie ihn sich selbst die Berlusconi-Anhänger nicht in ihren kühnsten Träumen erhofft hätten: Er ist ebenso kommunikativ wie durchtrieben (in Italien nennt man das voller Bewunderung „furbo“), aber – bislang – ohne gefährliche Freundschaften und – so weit bekannt – ohne Hang zu Orgien. Es läuft also alles bestens.
Die Antimafia-Staatsanwaltschaft von Palermo ist eines der letzten Hindernisse auf dem Weg zur Vollendung der Restauration. Wie auch der störrische Richter des Richterkollegiums, das Berlusconi freisprach – er gab nach dem Freispruch sein Amt auf. Und natürlich auch die wenigen Journalisten, die keine Lakaien der Parteien sind. Marco Travaglio verließ letzte Woche das Studio von „Servizio Pubblico“, weil er es nicht ertrug, wie der Moderator Michele Santoro dem ligurischen PD-Ministerpräsidenten – und Verantwortlichen für die Schlammkatatstrophe von Genua – Gelegenheit gab, sich vor laufender Kamera von allen Vorwürfen reinzuwaschen.
To be continued …