Gerade fiel mir wieder Kempten ein. Sie erinnern sich: Die Geschichte mit den 1,6 Kilo Kokain im Spind des Drogenfahnders, die ein tapferer Reporter der Augsburger Nachrichten ans Licht brachte. Und natürlich alle erstaunt waren: Wie? Mafia in Kempten? Ich wurde dazu befragt (in „Von Kamen nach Corleone“ widmete ich der Mafia in Kempten ein ganzes Kapitel), der Innenminister drohte „sorgfältigste Ermittlungen“ an, man bangte um die Gefühle der in Kempten lebenden Italiener („Mafia-Hochburg – dies ist ein Schlagwort, das Kempten nicht loslässt. Seit den 80er Jahren schon. Auch momentan brodelt die Gerüchteküche“), versuchte sich damit zu trösten, dass die Mafia in Kempten eigentlich Geschichte („Das Allgäu galt in früheren Jahren als Rückzugsraum für italienische Gangster verschiedener Syndikate“), und das Ganze nichts als ein bedauerlicher Einzelfall sei, der Drogenfahnder die 1,6 Kilo Kokain nur zu Schulungszwecken in seinem Spind aufbewahrt habe, und ohnehin andere kriminelle Banden der Mafia in Kempten Kon kurrenz machten (besonders gefällt mir in diesem Artikel das Wort „Ehrenkodex“: Ja, ja, die Mafiafolklore …. und ewig schweigt der Pate)
Kurz, es ist wie immer in Deutschland: Die Mafia macht hier nur Ferien. Und ansonsten: Sind die anderen, die russischen, türkischen und chinesischen Banden nicht viel schlimmer? Wir wären doch froh in Deutschland, wenn wir es nur mit der italienischen Mafia zu tun hätten, die benimmt sich wenigstens ordentlich, gibt am Ende immer einen Grappa aus, macht schöne Musik, investiert ab und zu ein paar Milliarden, hat den Osten Deutschlands wieder aufgebaut, sorgt dafür, dass in Stuttgart ein neuer Bahnhof und ein neues Stadtviertel gebaut wird, kurz: Sie tut etwas für die deutsche Konjunktur. Sollen wir uns etwa darüber beklagen? Sollen wir etwa den Weltuntergangsszenarien italienischer Antimafia-Staaatsanwälte wie Nicola Gratteri glauben, die sich wundern, dass die Mafia in Deutschland immer noch für Folklore gehalten wird, obwohl Deutschland nach Italien das Land mit der höchsten Mafiapräsenz in Europa ist?
Nein.
Und jetzt: weiterschlafen.