Und manchmal wirft sich die Wirklichkeit in den Weg. So geschehen dem kalabrischen Mafiamusikproduzenten und Mitarbeiter des SPIEGEL, Francesco Sbano, Blog-Lesern nicht unbekannt, dem die Staatsanwaltschaft Reggio Calabria nun die Meldung über den Abschluss ihrer Ermittlungen mit den Hinweisen auf seine Verteidigungsrechte zugestellt hat. Sbano werden drei – in Tateinheit begangene – Straftatbestände zur Last gelegt: Bedrohung, Beleidigung und Verleumdung. Anlass war Sbanos bizarrer Auftritt im „Museum der Ndrangheta“ in Reggio Calabria, über den das Nationale Observatorium für bedrohte Journalisten, mein Blog („Solidarität mit Francesca Viscone“) und die taz („Ein Mann, seine Ehre und sein Kampf“) berichteten. Ein Verfahren wird sich nun kaum mehr abwenden lassen.
Seit Jahren bemüht Sbano sich aufopferungsvoll darum, den Deutschen ein folkloristisches Bild von der Mafia zu liefern: Eine archaische Gemeinschaft, die singt, tanzt und sich hin und wieder selbst umbringt – also nichts, wovor die Deutschen sich wirklich fürchten müssen. Zuletzt bekam Sbano in Berlin im Haus der Kulturen Gelegenheit, seine Sicht der Dinge darzustellen – Anlass für „Mafia? Nein Danke!“ einen Protestbrief an die Intendanz zu verfassen.
Verlässlich wie sonst nur Woody Allen mit seinen Komödien beglückt Sbano das deutsche Publikum nahezu jährlich mit neuen Initiativen. So veröffentlichte er ein Buch mit den angeblichen Einblicken eines Mafiabosses unter dem kuriosen Titel „Die Ehre des Schweigens. Ein Boss packt aus“, legte seine Mafiamusik einem Buch bei, dessen Autoren nichts von dieser Gesellschaft wussten – und drehte ein Video über die »ehrenwerten« Männer , uomini d’onore, das vermummte Männer in den Wäldern des Aspromontegebirges zeigt, die auf nervös tänzelnden Pferden posieren und nuschelnd erklären, dass die Mafia so etwas wie das Weltkulturerbe sei. Es mag Zufall gewesen sein, dass die Universität Bochum kurz nach dem Duisburger Mafiamassaker keinen Geringeren als Francesco Sbano zusammen mit Antonio Pelle einlud, den aus San Luca stammenden Betreiber des Duisburger Hotels Landhaus Milser, um vor den Studenten über die Mafia zureden. Und Sbanos »exklusives Videomaterial« zu zeigen, wie es hieß.
Die kalabrische Schriftstellerin Francesca Viscone verfolgt Sbanos Anstrengungen seit seinen Anfängen. Sie analysierte die Propagandawirkung der Mafiamusik in ihrem viel beachteten Buch „La globalizzazione delle cattive idee“ (Die Globalisierung der bösen Ideen) und schrieb darüber auch einen Artikel in der ZEIT.
In Italien fand der Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Reggio Calabria gegenüber Sbano ein großes Echo, nicht nur in Kalabrien, wo der Quotidiano della Calabria und Il Dispaccio berichtete, sondern auch im Corriere della Sera sowie die Antimafiaorganisationen Antimafia duemila und 100passi.
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