V-Day

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Oltre“ (im Sinne von: weiter/darüberhinaus/jenseits der traditionellen italienischen Parteien, des Scheinprotestes gegen B., der Pseudoreformen, der Endlosschleife)  – lautete das Motto des dritten V-Day (Vaffanculo-Day, zu deutsch: Leck-mich-am Arsch-Tag) der 5Sterne-Bewegung, der gestern in Genua stattfand. Natürlich wurde die Veranstaltung wie üblich von B.’s Sendern sowie von der staatlichen RAI so gut es ging kleingeredet oder verschwiegen, aber immerhin entschloss sich La 7 zu einer Direktübertragung. Hier schon mal die Titel von La Repubblica (die wie üblich im Copy&Paste-Modus spätestens morgen auch in deutschen Tageszeitungen zu lesen sein werden): „Grillo-Show gegen Napolitano“. „Start der anti-europäischen Wahlkampagne“.

Dass Staatspräsident Napolitano, auch genannt: König Giorgio, der weise alte Mann auf dem Quirinalshügel (©Süddeutsche Zeitung, deren Vertrautheit mit der PD sich auch am Führungstreffen der SZ ablesen ließ, zu dem Ministerpräsident Letta eingeladen wurde. Was mich als SZ-Abonnentin ehrlich gesagt, etwas irritiert. Von wegen journalistischer, ähem, wie hieß es noch: Unabhängigkeit?) derjenige ist, der mit aller Macht dafür sorgt, dass der Dreck weiterhin unter den Teppich gekehrt wird (remember: Die Wahl des Staatspräsidenten), sich also in Italien nichts ändern soll, und der so lange es ging, B. an der Macht hielt,  ist bekannt. Ebenso lange fordert die 5-Sterne-Bewegung, Napolitano seines Amtes zu entheben. Es ist also eher eine Hund-beißt-Mann-Meldung.

Das Gleiche gilt für die Ankündigung der 5-Sterne-Bewegung, eine Volksabstimmung zum Euro abzuhalten. Denn die verbirgt sich hinter dem, was die Repubblica sofort als „anti-europäische Wahlkampagne“ identifizierte (und dabei die slide-Show über die sieben Punkten zu Europa unter den Tisch fallen ließ):

  1.  Volksabstimmung zum Verbleib im Euro
  2. Abschaffung des Europäischen Fiskalpakts
  3. Einführung von Eurobonds
  4. Schaffung einer Allianz der Mittelmeerländer für eine Euro2-Zone
  5. Investitionen und die Schaffung neuer Unternehmen jenseits der 3% Grenze des Bilanzdefizits
  6. Finanzierung von Agrarunternehmen, die dem internen nationalen Verbrauch dienen
  7. Abschaffung des Haushaltsgleichgewichts

 

was man teilen kann oder nicht – auf jeden Fall wird es schwierig, das als „Antipolitik“ zu verteufeln, die der Anti-5-Sterne-Propaganda zwanghaft vorgeworfen wird: böse, böse Populisten und Anti-Europäer! Kritik am Euro und an der deutschen Austeritätspolitik wird schließlich nicht nur von Grillo und der 5-Sterne-Bewegung geübt.

Erwähnenswert am dritten V-Day war, dass selbst nicht wohlwollende Beobachter feststellen mussten, dass die 5-Sterne-Bewegung mehr als nur Grillo ist und die 5-Sterne-Parlamentarier und Senatoren dafür sorgen, dass zum ersten Mal seit zwanzig Jahren im Parlament tatsächlich Opposition betrieben wird. Einige von ihnen wurden gestern in Genua gefeiert, etwa die Senatorin Paola Taverna, die dank ihrer wunderbar leidenschaftlichen Redebeiträge im Senat zum Star wurde (hier gibt sie Alessandra Mussolini den Tipp: „Sie fordern Respekt? Wie wäre es damit, das Gesetz zu respektieren? Wie wäre es damit, Berlusconi abzuwählen, so wie es das Gesetz vorsieht?“ – eine für B.’s Partei eine geradezu unanständige Forderung) oder hier am Tag von Berlusconis Ausschluss aus dem Senat, als sie wie „Il Fatto Quotidiano“ schrieb, die Rede hielt, auf die man in Italien seit zwanzig Jahren wartete (und B.’s Volk der Freiheit zu randalieren begann).  Oder die 26jährige Giulia Sarti, die mit Leidenschaft über Italiens offene Wunden sprach: über den „ruchlosen Pakt“ zwischen der Mafia und der italienischen Politik, die nie identifizierten Auftraggeber am Mord an Paolo Borsellino, den von der Mafia vergrabenen Giftmüll in Kampanien.

Und natürlich hat Grillo rumgeschrien. Sonst wäre er nicht Grillo.