Soeben erfuhr ich, dass der deutsch-ägyptische Politologe und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad verschwunden ist – und vermutlich in Kairo entführt wurde. Zuerst meldeten die Ruhrbarone sein Verschwinden, mehr darüber auch im Tagesspiegel, in der Welt oder auf Spiegel-Online. Hier eine Petition, in der die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert wird.
Ich habe Hamed im August in Italien kennengelernt – wenige Monate zuvor hatten militante Islamisten dazu aufgerufen, ihn zu ermorden. (Die Wikipedia-Seite ist laut Hamed mit Vorsicht zu genießen). Einem größeren Publikum (zu dem ich mich auch zähle) wurde Hamed durch die tragisch-komische Deutschland-Safari bekannt, als er mit Hendryk Broder durchs Land fuhr.
Spannend fand ich bei unseren Unterhaltungen die Gemeinsamkeiten, die Hamed zwischen der Mafia und dem radikalen Islamismus feststellte. Wir haben auch lange darüber gesprochen, dass die größte Demütigung nicht darin besteht, bedroht zu werden – sondern darüber belehrt zu werden, wie man die Bedrohungen hätte vermeiden können – nach dem Motto: „Es hat dir schließlich nicht der Arzt verschrieben, die Islamisten zu kritisieren“ oder: „Es muss doch irgendwann auch gut sein“.
Er sprach auch davon, wie viele gute Ratschläge ihm deutsche Journalisten gegeben hätten, in der Art: „Du musst dich auch nicht wundern, dass du von den radikalen Islamisten bedroht wirst, schließlich hast du sie auch provoziert.“ Die Süddeutsche Zeitung hat sich auch nach seinem Verschwinden nicht entblödet, noch mal darauf hinzuweisen:
- „Seiner Ansicht nach hätten die Muslimbrüder den Zeitgeist nicht verstanden. Provokationen wie diese könnten zur Entführung des deutsch-ägyptischen Schriftsteller Hamed Abdel-Samad geführt haben.“
(Ja, an dieser Stelle muss Tucholsky mal wieder strapaziert werden: „Der geschickte Journalist hat eine Waffe: das Totschweigen – und von dieser Waffe macht er oft genug Gebrauch.“)
Ich hoffe, dass Hamed so schnell wie möglich wieder auftaucht – gesund an Leib und Seele.