Die Entdeckung des heißen Wassers

„Bundesweite Razzia gegen mutmaßliche Ndrangheta-Geldwäscher“, titelt ZEIT-online. Und die Osnabrücker Zeitung stellt sich die bange Frage: „Half Emsländer Mafia bei der Geldwäsche?„, dass der geneigte deutsche Leser fast den Eindruck haben könnte: Holla! Wenn man jedoch den zeitlichen Verlauf der Meldung näher betrachtet, ergeben sich interessante Zusammenhänge – in der Art von Es geht eine Träne auf Reisen.

–  am 13. Juli 2012 enthüllte die kalabrische Tageszeitung Quotidiano della Calabria die Beschlagnahmung eines der größten Windparks in Europa im kalabrischen Isola Capo Rizzuto, der laut Anklage der Staatsanwaltschaft vom Neffen des Bosses geführt wird, einem Gemeinderat von Isola Capo Rizzuto,  der im Verdacht der Geldwäsche mittels ausländischer Gesellschaften steht – darunter Deutschland.

– am 31. Juli 2012 referierte Carlo Caponcello,  der für Deutschland zuständige Staatsanwalt bei der DIA (nationale Antimafia-Staatsanwaltschaft) vor der Antimafia-Komission des italienischen Parlaments über die Präsenz der Mafia in Deutschland. Hier ein Zitat aus seinem stenografierten Bericht, über den ich in diesem Blog am 9. Oktober 2012 berichtete:

  • Wir ermitteln – und das ist nichts Neues, da die Zeitungen bereits darüber berichtet haben – im Bereich der Windenergie. Der Präsident der Gesellschaft, die den größten Teil eines Windparks in Italien verwaltet, ist ein Deutscher, und eine deutsche Bank hat mit 200 Millionen Euro die Familie Arena finanziert. Hier ist es wichtig festzustellen, worin der wahre Profit besteht, der wahre Qualitätssprung. Ich möchte jetzt keine abgegriffenen Formeln benutzen, in der Art derer, dass die Globalisierung alle etwas zusammenrücken ließ – tatsächlich sind diese Ndranghetisti Personen, die einen Status kultureller Rückständigkeit überwunden haben und heute als ernsthafte Ansprechpartner vorstellig werden. Ich verfüge über eine bescheidene Erfahrung (18 Jahre) mit mafiosen Vereinigungen, vor allem in Ostsizilien, weil ich aus Catania stamme, außerdem habe ich drei Jahre lang in Kalabrien gearbeitet. Ich stelle fest, dass stimmt, was mein Kollege Macrì gesagt hat, nämlich dass sich kein Land als immun gegenüber der Mafia betrachten kann – wobei die mediale Enthüllung der Ndrangheta für mich so etwas wie die Entdeckung des heißen Wassers darstellt, im Sinne einer immanenten Präsenz. Es gibt Signale – und das BKA hebt sie hervor – für das Eindringen der Ndrangheta in die staatlichen Behörden und in die deutschen Wahlen. Pizzerien und Restaurants werden zu Treffpunkten. Aber es gibt noch wichtigere Anzeichen. Den Deutschen muss klargemacht werden, dass die Gefahr nicht abstrakt, sondern ganz konkret ist. Die Ndrangheta ist auch in der Schweiz und in Belgien präsent – aber ohne die Situation zu überschätzen, können wir sagen, dass Deutschland das bevorzugte Ziel der Ndrangheta ist.“

– am 10. Oktober 2012 berichtete der STERN über die Beschlagnahmung des von der Nordbank finanzierten Windparks.

– Und jetzt, mehr als ein Jahr später, ist der Spiegel auch aufgewacht. Guten Morgen! Wenn das nix ist.