Venezianisches Trauerspiel IV.

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Nachdem der Fall der verwirrten venezianischen Stadträtin Angela Vettese bereits ihren Niederschlag in der Faz (mit der hübschen Überschrift „Nachricht über Genozistan“ und gestern auch in der Taz ( „selbstgerechte Völkermörder“)  fand, meldete sich gestern auch der ehemalige Präsident der jüdischen Gemeinde Venedigs zu Wort: Dario Calimani nannte den Rechtfertigungsversuch der Stadträtin „schlimm und gravierend“ : Er wisse nicht,  auf welche angebliche neunjährige Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde sich die Stadträtin beziehe (den sie als Grund für ihren nächtlichen Anfall genannt hatte). Ihr Versuch, sich aus der Affäre zu ziehen, indem man den anderen (speziell den Juden) nunmehr anachronistische antideutsche Gefühle unterstelle, sei weder besonders klug noch großzügig. Der öffentliche Rechtfertigungsversuch der Stadträtin mache besonders betroffen, da sie offenbar davon ausgehe, zwei verschiedene Ausdruckskanäle zur Verfügung zu haben, einen privaten und einen öffentlichen – eine Angewohnheit, die immer öfter in der Politik zu beobachten sei: Auf Facebook  („unter Freunden“) leistet man sich rassistische Ausfälle , die man tags darauf in der Presse zurückzieht.

Massimo Andreoli, der venezianische Eventmanager, auf dessen Facebookseite sich die Stadträtin ausgetobt hatte, forderte im Gazzettino erneut den Rücktritt der Stadträtin. Schön ist darin der Satz, dass das Problem der Stadträtin nicht sei, das falsche Kommunikationsinstrument (FB)  benutzt zu haben, sondern die falschen Gedanken.

Und der venezianische Bürgermeister? Der schweigt weiterhin.

Jetzt könnte man sagen: Eine Provinzposse, wen juckts?

Aber vermutlich schweigt der venezianische Bürgermeister nicht zuletzt auch deshalb, weil er weiß, dass latente antideutsche Gefühle im Wahlkampf eine wichtige Spielkarte sein werden. Nächstes Jahr wird in Venedig ein neuer Bürgermeister gewählt. Und bald wird auch in Italien gewählt werden (müssen).

Zwar rotiert die politische Kaste in Italien seit Anfang August wie verrückt, um den Verbrecher vor seiner rechtskräftigen, von drei Instanzen bestätigten Strafe zu bewahren, und der „Weise vom Quirinalshügel“ (© Süddeutsche Zeitung) wird in gewohnter Weise versuchen, mit einer weiteren technischen Regierung wieder Zeit zu gewinnen, um hinter verschlossenen Türen die neuen Mehrheiten auszuhandeln – aber Neuwahlen sind dennoch nicht zu verhindern. Und die werden nicht nur von der PDL gefürchtet, die eine kurze Zeit ohne ihren anführenden Gewohnheitsverbrecher auskommen muss, sondern auch von der PD – der in der 5Sterne-Bewegung eine ernstzunehmende Konkurrenz gewachsen ist.

Wir selbstgerechte Völkermörder haben zur Zeit einen schlechten Stand.

 

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