Sie ist schon lange aus dem Alter heraus, als sie noch mit dem Lonely Planet unter dem Arm durch die Welt reiste, auf der Suche nach einer preiswerten, möglichst kostenlosen Übernachtungsmöglichkeit bei Einheimischen. Zumal es in Venedig kaum noch Einheimische gibt, jedenfalls hat das der Reiseleiter noch am Morgen verkündet. Heute ist sie mit der Crown Princess unterwegs, aber darin soll jetzt kein Systemkonformismus gesehen werden, angepasst war sie nie, und die Haare färbt sie sich immer noch nicht. Seitdem sie siebzehn war, trägt sie die gleiche Frisur, die Haare schulterlang und in der Mitte gescheitelt, schließlich braucht der Mensch Überzeugungen. Das Essen war im Pauschalpreis inbegriffen, nur die Getränke (außer Kaffee) müssen extra bezahlt werden. Sie trank einen Wodka Tonic und ein Glas Rotwein. Weil man aber dem dem System gegenüber nie mistrauisch genug sein kann, und das gilt besonders für das italienische System, kontrolliert sie Rechnung mit einem kleinen Taschenrechner. American coffee?, fragt der Kellner, und sie streckt ihn mit einem Blick nieder. Sieht sie aus wie ein Landei? Aus Ohio oder Idaho? Wie eine, die noch nie einen Espresso getrunken hat? Not a big cup!, ruft sie dem Kellner nach. Und steckt die fünfzig Cent Trinkgeld wieder ein. Service ist in Europa schließlich inbegriffen.