Das Ende

Als ich heute morgen die Fotos des toten Gaddafi in den Zeitungen sah, mitsamt der pflichtschuldigen Kommentare, dass man so doch nicht mit ihm hätte umgehen sollen, dachte ich an den dunklen Fleck auf der Wiese in Lockerbie. Ich stand neben diesem Fleck, als eine von vielen Journalisten aus der ganzen Welt, die über Nacht nach Schottland geschickt worden waren. In der Hand hielt ich meinen Notizblock und notierte, dass der dunkle Fleck die Umrisse eines Menschen waren, ein Mensch, der mit den Knien voran vom Himmel gefallen war. Ich sah die Umrisse seiner Ellbogen und seines Kopfes, seine Knie hatten sich zehn Zentimeter tief in den weichen Boden dieser Wiese gebohrt. Nicht weit von dem Fleck entfernt, lag das Cockpit der „Maid of the Seas“ auf einem Hügel.

Ich weiß noch, dass es sehr kalt war in Lockerbie. Wir liefen an rußgeschwärzten Grundmauern vorbei, an einem Krater, in dem sich Schlamm, Wasser und Kerosin gesammelt hatte, und wo Männer der Royal Air Force mit Spitzhacken und  Schaufeln nach Wrackteilen suchten. Vor dem Rathaus, in dem die Toten und die Wertsachen der Opfer bis zur Identifizierung aufbewahrt waren, lagen Blumengebinde. Und eine Karte, auf der stand: „Auf Wiedersehen, mein Baby, ich liebe Dich“.

Vor zwei Jahren war ich zufällig an dem Tag in Rom, als Gaddafi die Stadt besuchte. Rom befand sich in einem Belagerungszustand, der Polizeipräfekt hatte für Gaddafis Sicherheit sogar ein Flugverbot ausgesprochen, alle Straßen waren gesperrt, damit Gaddafi samt Hofstaat und Hostessen bequem in den Park der Villa Pamphili gelangen konnte, wo er seine Zeltstadt aufgeschlagen hatte. Der Bürgermeister, der Parlamentspräsident, der Staatspräsident – alle drängte es, Gaddafi die Ehre zu erweisen. Und Berlusconi küsste ihm die Hand.