Amsterdam

Also, es war so: Ich saß vor dem Hotelcomputer und beantwortete meine Mails, als sich ein Mann mit einer Baseballkappe an den anderen Computer neben mir setzte. Ich hätte das nicht für besonders bemerkenswert gehalten, wenn der Mann beim Schreiben nicht so geschnauft hätte. Er warf sich in die Tastatur wie ein Pianist bei einer schwierigen Partitur – die Atemgeräusche waren nicht zu ignorieren, weil die beiden Hotelcomputer in einem winzigen Raum standen (in Holland ist der Wohnraum begrenzt, alles musste dem Meer abgerungen werden), unter einer unfassbar schmalen Treppe. Der Mann schnaufte also, und ich dachte: Wieder so ein übergewichtiger Amerikaner, kein Wunder, dass er so schnauft. Ich dachte das wegen der Baseballmütze, Vereinfachungen müssen erlaubt sein.

Dann blickte ich unauffällig zu ihm herüber und stellte fest, dass der schnaufende Baseballmützenmann eine currybraune Breitcordhose trug, eine Günther-Grass-Hose, eher untypisch für Amerikaner, es sei denn sie sind Harvard-Professoren oder Woody Allen. Schnaufend und sich hin und her wiegend schrieb der Mann seine Mails. Ich blinzelte auf seinen Bildschirm und sah, dass er nicht auf Englisch schrieb, sondern in einer mir unbekannten Sprache mit vielen Üs und Ös und Ypsilons. Es ging um graphische Details, so viel konnte ich der Überschrift entnehmen.

Dann fiel mir ein, dass mich mein holländischer Verleger nicht in irgendeinem Hotel untergebracht hatte, sondern in einem Schriftsteller-Hotel, und von daher ergab die Kombination von curryfarbener Breitcordhose, vielen Ypsilons und schnaufendem Schreiben Orhan Pamuk, der gerade hier in Holland sein neuestes Buch vorstellte. Ich überlegte kurz, ob ich ihn anfassen sollte, so wie man in Italien einen Buckligen berührt, weil er Glück bringen soll, aber dann habe ich mich doch nicht getraut.

Aber eine Baseballmütze hätte ich bei ihm wirklich nicht erwartet.

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