Berlin-Amsterdam-Neapel-Cosenza

Als ich heute am Flughafen ankam, fragte mich ein Polizist, woher ich käme – offenbar sah er mir an, dass hinter mir eine Route liegt, die einem Drogenkurier alle Ehre machen würde. Oder einem Waffenhändler. Oder beiden. In Berlin Berettas gekauft, in Amsterdam Kokain, per Zug weiter nach Neapel (nie mit dem Auto, da ist das Risiko, gefilzt zu werden, zu groß), das Kokain in Neapel verkauft, die Waffen in Cosenza.

Tatsächlich war es eine Reise, in dessen Verlauf ich ziemlich zugenommen habe – so nennt man das in Italien, wenn man sich über ein Lob freut: Mi sono ingrassata, ich bin dicker geworden. In Amsterdam hatte ich zum ersten Mal Gelegenheit, meinem Übersetzer gegenüberzusitzen, Marcel Misset (der übrigens den Holländern auch Charlottes Roche Feuchtgebiete näherbrachte) , dann die Preisverleihung in Nocera (Heute konnte ich in dem Bericht des Mattino nachlesen, wie Generalstaatsanwalt Franco Roberti in seiner Rede die katholische Kirche kritisiert hat, was in Italien geradezu blasphemisch ist: Wenn die Kirche eine deutlichere Position gegenüber der Mafia bezogen hätte, dann gäbe es kein Schweigegebot mehr, sagte er. ) Die Generalkonsulin von Neapel, Angelika Völkel, hat ebenfalls eine wunderbare Rede gehalten, in deren Verlauf ich auch etwas zunahm, und um die Einzigartigkeit italienischer Preisverleihungen noch mehr herauszuheben, will ich nicht verschweigen, dass wir danach zum Lunch in der Villa Lanzara eingeladen waren: auf Einladung der Baronessa Cettina Lanzara, einer wunderbaren Dame mit karmesinroten Lippen und karmesinrotem Nagellack, deren Hände auf dem elfenbeinernen Knauf ihres Spazierstocks ruhten (für das Alter merken: Nie das Haus verlassen ohne Karmesinrot auf den Lippen!). Umschwirrt von Dienern in weißer Livree nahmen wir den Apéritif im Garten unter riesigen Kamelienbäumen ein, es folgte der Lunch im Liberty-Salon. Es war wie in einem Visconti-Film. Wenn nicht auf einem kleinen Grundstück neben dem Palazzo gerade illegal einer der vielen Betonbunker hochgezogen wurde, mit dem Nocera bis zur Unkenntlichkeit zerstört wurde. Von der Camorra. 

Dann fuhr ich mit dem Zug weiter Richtung Cosenza (Drogenhändler, so heißt es, verstecken ihre Ware übrigens gerne in der Toilette über dem Wasserkasten), wo ich mein Buch an der Universität von Kalabrien vorgestellt habe – auf Einladung der hier seit über 30 Jahren lehrenden, von mir hochverehrten, deutschen Soziologin Renate Siebert. Da habe ich noch mehr zugenommen. Alles in allem mindestens zwanzig Kilo.

Grazie. 

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