Gerade komme ich aus einer Buchhandlung hier in San Marco, sie existiert seit 150 Jahren und steht jetzt vor der Schließung, weil die Pacht von 1000 auf 5000 Euro erhöht wurde.
Nur Modeschöpfer wie Dolce&Gabbana oder Prada können sich solche Mieten leisten, sagte die Buchhändlerin. Denn selbst wenn niemand in diesen Läden einkauft, lohnt sich das Geschäft, weil sich schon das Schaufenster in Venedig als Werbung bezahlt macht. Mit Büchern allein kann man hier nichts verdienen, sagte sie und fügte hinzu: Wahrscheinlich bleibt uns nichts anderes übrig, als Karnevalsmasken und Muranoglas zu verkaufen.
Und das war nicht ironisch gemeint, denn unweit des Markusplatzes hat eine renommierte Kunstbuchhandlung nun ein Schaufenster eingerichtet, in dem Muranoglaskettchen und Masken angeboten werden: Auch dieser Buchhandlung war die Pacht verfünffacht worden – und nur dank des Verkaufs von Muranoglaskettchen kann sich der Buchhändler noch leisten, Bücher über Canaletto anzubieten.
Das tägliche Leben ist in Venedig schon lange nicht mehr vorgesehen, sagte die Buchhändlerin, es gibt hier keine Gemüsehändler mehr, keine Bäcker, keine Fleischer.
Und ich erinnerte mich daran, wie der venezianische Bürgermeister Cacciari wütend geworden war, als ich ihn in einem Interview nach dem Aussterben der Stadt gefragt hatte. Er, der ehemalige Kommunist, belehrte mich, dass die Marktgesetze dafür verantwortlich seien: Es gibt Gesetze, schrie er, und einen freien Markt! Wollen wir die Sowjetrepublik oder den freien Markt? Es erbitterte ihn, sich zu den venezianischen Niedrigkeiten äußern zu müssen. Er wollte die Welt erklären und nicht, warum es in San Marco keine Bäckerläden mehr gibt. Das ist Geschwätz, sagte er, venezianisches Geschwätz!
Ich habe dann das Buch „Mani sporche“ gekauft, „Schmutzige Hände“, ein Buch, das auf 970 Seiten beschreibt, wie die italienische Politikerkaste von links bis rechts ihr Land in den letzten sieben Jahren aufgefressen hat. So viel zum venezianischen Geschwätz. Und während die Buchhändlerin das Buch einpackte, erzählte mir ihr Mann, wie neulich Abend zwei Touristen atemlos in die Buchhandlung gestürzt seien und nach dem schnellsten Weg zur Piazzale Roma gefragt hätten. Der Buchhändler erklärte ihnen den Weg und schlug ihnen vor, anstatt zu Fuß zu laufen, ein Vaporetto zu nehmen, die Vaporetti fahren schließlich die ganze Nacht durch zur Piazzale Roma und damit bis ans Festland.
Wie, fragten da die beiden Touristen, wird Venedig denn abends nicht geschlossen?
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