Reich werden (diventare ricco)

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Es ist keine Kunst, mehr zu verdienen, als eine freischaffende Journalistin. Jeder Klempner verdient mehr als ich. Ich kann auch damit leben, dass meinem Freund Clemente Mastella (siehe auch: Amore I), dem ehemaligen Justizminister, angeklagt wegen Amtsmissbrauchs und Erpressung, sein Rücktritt mit 300 000 Euro versüßt wurde. Denn um diese Ablösesumme zu verdienen, muss man über ein gewisses Maß an krimineller Energie verfügen, und das ist nicht jedermanns Sache. Ganz legal reich werden jedoch kann man als Taubenfutterverkäufer am Markusplatz.

Wie das Denkmalschutzamt gestern bekannt gab, verdienen venezianische Taubenfutterverkäufer im Jahr 300 000 Euro, schwarz. Durchschnittlich 1000 Euro pro Tag. Und das ohne jedes Risiko: Der Rohstoff, das Körnerfutter, kostet pro Zentner etwas zwischen 17 und 27 Euro, ein Zentner Körner verwandelt sich (das ist jetzt nichts für Leute, die schon in der Schule an Textaufgaben scheiterten) in 1000 Taubenfuttertüten, bei einem Durchschnittsgewicht von 100 Gramm pro Tüte, die zu einem Preis von einem Euro an den Touristen verkauft werden.

Für Taubenfutterverkäufer ist der Markusplatz also eine Goldmine – die von 19 Verkäufern ausgebeutet wird, welche sich an 10 Verkaufsständen abwechseln, nicht mehr, nicht weniger: Die Taubenfutterverkäufer sind so etwas wie der Hartmannbund, eine Taubenfutterverkaufslizenz kann nicht erworben werden, sondern nur vererbt: Die venezianische Stadtverwaltung stellt keine neuen mehr aus, weil sie auf die im Vergleich zu den Tauben geringere Fruchtbarkeit der Taubenfutterverkäufer hoffte, um auf diese Weise der Taubenplage Herr zu werden. Weil dies aber erst schätzungsweise in 100 Jahren der Fall sein und der Markusplatz bis dahin in Taubenscheiße erstickt sein wird, bietet die venezianische Stadtverwaltung zusammen mit dem Denkmalschutzamt nun den Taubenfutterverkäufern ein Geschäft an: Wer auf seine Lizenz verzichtet, dem wird eine Ablösesumme zwischen 50 und 100 000 Euro gezahlt – ausgehend von den Einkommenserklärungen der Taubenfutterverkäufer, die als Verdienst nicht mehr als 1000 Euro pro Monat versteuern.

Mir stellen sich zwei Fragen:

Erstens: Warum sollten sich die Taubenfutterverkäufer auf ein solches Geschäft einlassen?

Zweitens: Warum bin ich keine Taubenfutterverkäuferin geworden? 

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