Er hatte in Venedig geheiratet, dreißig Gäste waren zusammen mit dem Hochzeitspaar aus Wien angereist, um nach der standesamtlichen Trauung im Antico Martini zu Mittag zu essen. Sie waren ein schönes Paar, er war blond und hochgewachsen, sie war klein und trug die dunklen Haare als Pagenschnitt. Ich weiß noch, dass er gut Italienisch sprach, wenngleich auch ohne das R zu rollen. Er trug immer Krawatte, auch an heißen Tagen. Und am Ende des Hochzeitsessens hinterließ er im Gästebuch die Visitenkarten: Seine alte Adresse, ihre alte Adresse und ihre neue gemeinsame Adresse. Das sei in Österreich so üblich, wurde mir gesagt.
Zwei Jahre lang kehrten sie nach Venedig zurück, um ihren Hochzeitstag zu feiern. Wenn sie kamen, blieben sie eine Woche und aßen jeden Tag im Martini zu Abend. Und dann kam eines Tages ein Brief mit zwei Visitenkarten an: seine neue Adresse zusammen mit der alten, gemeinsamen Adresse.
Im gleichen Jahr besuchte er wieder das Martini. Er ließ einen Tisch für zwei Personen reservieren, den gleichen Tisch wie immer, auf der Terrasse hinten rechts. Als er kam und Platz nahm, fragten ihn die Kellner: Sollen wir mit der Bestellung noch auf die Signora warten? Und er antwortete: Aber nein, wir sind ja hier. Er sagte: Heute steht uns der Sinn nach Pasta. Oder ist dir eine Minestrone lieber, meine Liebe?
So ging das sechs Jahre lang. Immer der gleiche Tisch. Der Oberkellner sagte: Wenn ich ihn sehe, fange ich an zu weinen.
Und weisst du was, wenn sie nicht wieder zu mir zurückgekommen wäre, dann wäre ich auch verrückt geworden.