Ich war mal wieder im Salento unterwegs – über den Krieg gegen die Olivenbäume habe ich ja bereits hier und hier und hier berichtet. Verändert hat sich nichts. Jedenfalls nicht zum Besseren.
Der Krieg geht weiter: Inzwischen gibt es auch schon Schlachtfelder bei Tarent, so wie hier in Oria. Der Herr in der Mitte ist Nino Baldari, seine Werkzeuge sind Sichel, Säge und Hacke – weshalb ihn die Carabinieri als „bewaffnet“ bezeichneten, als er sich dem Fällen der jahrhundertealten Olivenbäume widersetzte.
Seitdem prangen hier auf den Autos Aufkleber wie dieser: „Die Feuerbakterie ist Betrug – Widerstand leisten ist eine Pflicht.“ Das sagt auch Nino Baldari, dieser achtzigjährige Olivenbauer aus Oria, dem Gebiet zwischen Brindisi und Tarent, in dem in diesem Frühjahr 300 tausendjährige Olivenbäume gefällt wurden und weitere 500 auf der Liste stehen.
Bis heute gibt es keinen einzigen wissenschaftlich haltbaren Beweis dafür, dass die Feuerbakterie für das Vertrocknen der Olivenbäume im Salento verantwortlich ist. Sicher ist nur, dass man mit Glyphosat jeden Olivenbaum ins Jenseits befördern kann. Mit schönen Grüßen von Monsanto. Wer des Italienischen mächtig ist, mag sich dieses YouTube-Video ansehen, in dem Ivano Gioffreda „Le buone pratiche“ erklärt, wie die Olivenbäume mit einfachen, altbewährten Methoden wieder zum Leben erweckt werden. Ivano Gioffreda gehört zur Vereinigung „Spazi popolari“ von Sannicola, die mehr ist als eine Kooperative für organisch-biologischen Anbau: Es ist eine Initiative zur Verteidigung des Salento, Verteidiger, die nahezu täglich von der Lokalpresse als sektiererische Störenfriede geschmäht werden.
Interessant ist auch, dass niemand über die Landwirte berichtet, denen es wider Erwarten gelungen ist, ihre Olivenbäume mit einfachen und altbewährten Mitteln wieder zum Leben zu erwecken, wie zum Beispiel hier in diesem Olivenhain unweit von Poggiardo:
Nach wie vor sind die Olivenbäume des Salento das größte Hindernis für die Bauspekulation: So wollen englische (?) Investoren den jahrhundertealten Olivenhain Sarparea in Nardò in ein Luxusresort verhexen. Region, Stadtverwaltung und Landschaftspflege nicken alles ab.
Der 20 Hektar große Olivenhain von Sarparea an der Bucht von Sant’Isdoro gehört nun englischen Investoren, die hier ein Luxusresort bauen wollen: Die „Oase Sarparea“: 30 Villen zwischen tausendjährigen Olivenbäumen, zwei Schritte vom Meer und vom Naturschutzpark Porto Selvaggio, der entstand, weil die Gemeinderätin Renata Fonte in den 1980er Jahren diesen Küstenstreifen Bauspekulanten entriss und dafür mit ihrem Leben bezahlte: 1984 wurde sie von zwei Killern mit Pistolenschüssen hingerichtet, als sie auf dem Weg nach Hause war. Die Bauindustrie ist ein klassisches Standbein der Mafia. Nicht nur der Camorra und ‘Ndrangheta, die Apulien kolonisiert haben, sondern auch der apulischen Sacra Corona Unita, der jüngsten, sich im Aufwind befindlichen Mafiaorganisation Italiens. Badeorte wie Torre dell’Orso sind praktisch über Nacht einbetoniert worden.
Eine Gruppe von Umweltschützern hat das „Comitato Salviamo la Sarparea“ gegründet, es kann über Facebook kontaktiert werden. Von hier aus ging es weiter nach Melendugno, zur dritten und letzten Station meiner Reise durch die Olivenhaine des Salento, die nicht nur den Bauspekulanten, sondern auch den Energielobbys und dem Konsortium aus privaten Investoren (ähem) der Trans-Adria-Pipeline (TAP) im Weg sind: Einer Gasleitung, die durch Albanien, Griechenland und das Adriatische Meer nach Italien verlegt werden soll. Hinweg unter den Stränden von San Foca und den Olivenhainen von Melendugno – deren Olivenbäume vorübergehend (ähem, ähem) versetzt werden sollen.
Weil niemand an das „vorübergehende Versetzen“ der Olivenbäume so recht glaubt, haben die No-TAP-Leute neben der geplanten Baustelle ein Basislager eingerichtet, in dem Umweltschützer Tag und Nacht wachen.
(Erinnerte mich an ein anderes italienisches Mammutprojekt, die venezianische Hochwasserschleuse MOSE, Gegenstand des größten Korruptionsskandals Italiens der Nachkriegszeit. Kosten: Mehr als 6 Milliarden Euro, davon eine Milliarde an Schmiergeldern – dafür, dass sie, was Venedig zu wünschen ist, nie in Betrieb gehen wird.)
Man könnte es auch Totalausverkauf des krisengeschüttelten Italien nennen: Alles muss raus.
(Demnächst in aller Ausführlichkeit nachzulesen in Mare)