Nachtrag zum deutsch-italienischen Presseclub

Weil mich auf Facebook eine Freundin fragte, wer von den beiden Kandidaten mir denn lieber gewesen sei, und ein anderer in seinem Kommentar bemerkte, dass ich mich jetzt endlich als „Grillina“ outen sollte, dachte ich, dass noch etwas Gesprächsbedarf besteht.

Also: Als Journalistin ist es mir ziemlich egal, wen die PD zum Senatspräsidenten macht, ich mache keine Politik, ich kommentiere lediglich das (zur Zeit sehr spannende) politische Geschehen in Italien.

Es ist mir aber als Journalistin überhaupt nicht egal, wie die italienische Wirklichkeit in den deutschen Medien dargestellt wird – nämlich sehr häufig in Copy&Paste-Manier aus der etablierten italienischen Presse. Und Copy&Paste wäre sogar ok, wenn es denn kenntlich gemacht und nicht als Ergebnis hartnäckiger Recherche und tiefschürfender Analyse ausgelegt würde.

Oder hat niemand etwas davon gehört, dass das in Italien seit zwanzig Jahren herrschende politische Regime sich vor allem dank massiver Desinformation an der Macht gehalten hat? Schon mal versucht, beim Urlaub in der Toskana italienisches Fernsehen zu gucken?

Ansonsten war es einfach, sich auf die Repubblica zu berufen, wenn damit Kritik an Berlusconi gemeint war. Damit war man als Journalist in Deutschland immer auf der sicheren Seite. Etwas komplizierter gestaltet es sich jetzt, seitdem es die 5Sterne-Bewegung gibt. Da funktioniert die bewährte Gleichung „links ist gut, weil B. böse ist“ nicht mehr. Allerdings hat sich das schon vor etwas längerer Zeit angedeutet.

Hinzu kommen ein paar strukturelle Schwächen des Journalismus. Ich erinnere mich noch daran, wie wir während der Journalistenschulzeit unsere Reise nach New York machten (in jenen goldenen Zeiten, als die Korrespondenten Business Class flogen, ihre Artikel der Sekretärin per Telefon diktierten, und außer ein paar renitenten Leserbriefschreibern niemand die Berichte kritisierte).

Wir wurden vom Auslandschef der New York Times empfangen, der uns das Einmaleins des Korrespondentendaseins in den Block diktierte. Regel Nummer eins: Kein Korrespondent sollte  länger als maximal fünf Jahre über ein Land berichten. Bliebe er länger in dem Land, liefe er Gefahr, sich mit dem Land gemein zu machen und den wertvollen „Blick von außen“ zu verlieren. Korrespondenten also als eine Art diplomatisches Korps samt extraterritorialer Existenz – Journalisten, die im Diplomatenstatus leben und auf die wundersamen Sitten und Gebräuche des Völkchens um sie herum blicken, mal sind es Eskimos, mal Italiener.

Es mag ja Koryphäen geben, die nach einem vierwöchigen Sprachkurs Italien verstehen. Ich gehöre nicht dazu. Ich habe erst nach den ersten fünf Jahren angefangen, Italiens Wirklichkeit zu begreifen. Dass auch ich erst wenig von Italien verstand, fiel aber meistens nicht weiter auf, weil die Redaktionen an die unzähligen Gemeinplätze gewöhnt sind, die seit Jahrzehnten weggedruckt werden – und eigentlich eher dazu neigen, ungehalten zu reagieren, wenn man einen Themenvorschlag macht, der sich dieser Wahrnehmung widersetzt: „Davon haben wir noch nie gehört. “

Hinzu kommt der gegenwärtige Sparzwang, und so haspelt sich mancher schlecht bezahlt und unter Zeitdruck durch die Wirklichkeit. Gestern war in der Berliner Zeitung über den neuen Senatspräsidenten der bemerkenswerte Satz zu lesen: „Den Politikbetrieb kennt er kaum – gerade deshalb ist er nun im politikmüden Italien zum Senatspräsidenten gewählt geworden.“

Abgesehen von der Petitesse, dass Piero Grasso den italienischen „Politikbetrieb“ wie kein anderer kennt und selbigen stets bestens bedient hat, ist der Begriff vom  „politikmüden Italien“ eine von den vielen Hülsen, zu denen Journalisten greifen, wenn ihnen nichts einfallen will. Italien ist nicht politikmüde. Italien ist korruptionsmüde, mafiamüde, sexskandalmüde, arbeitslosigkeitsmüde.

Und so wird Italiens Wirklichkeit so lange gehäckselt, durchgedreht, verrührt, bis das herauskommt, was alle ohnehin in Deutschland immer schon von Italien wussten: Italiener liegen gerne auf der faulen Haut, sie hatten siebenhundertvierzig Regierungen in zwanzig Jahren, und sie wollen ihre Schulden nicht bezahlen (schönes Beispiel dafür hier).

Aber. Die Welt ist kleiner geworden. Es ist nicht mehr egal, was die Deutschen über die Italiener denken. Und es ist nicht mehr egal, was Journalisten schreiben.

Und zum Schluss noch: das Positive.

 

 

 

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