Ich hatte keine Ahnung, was für ein Film das sein sollte, den der Regisseur Spike Lee heute morgen in Venedig vorstellte, ein Film mit dem rätselhaften Namen Bad 25. Ein Mädchen verteilte vor dem Kino Infomaterial (Amerikaner sind eben Profis und gehen zu Recht davon aus, dass Journalisten faul sind), und ich musste feststellen, dass ich um sieben Uhr aufgestanden war und im Nieselregen vor dem Kino Schlange stand, um einen Doku(!)film über Michael Jackson anzuschauen.
Erstens: Ich war nie ein Michael-Jackson-Fan. Zweitens: Spike Lee hat mich immer genervt. Und dann geschah ein Wunder. Der Film, der aufgebaut ist wie eine klassische Dokumentation (Weggefährten von Michael Jackson reden in die Kamera – Produzenten, Tänzer, bärtige Bodyguards, Musiker, Rock-Gitarristen mit lila Fingernägeln und schwarz gefärbten Haaren, Martin Scorsese in jung, älter, alt, Quincy Jones jung, älter, aber nie richtig alt, immer mit dunkel verlaufender Sonnenbrille, ein Sound-Ingenieur mit Schnauzbart und kariertem Hemd, eine Songtexterin, diverse Hintergrundsängerinnen – plus Videoaufnahmen plus alte Interviews plus krisselige Amateuraufnahmen) hat mich eiskalt erwischt. Drei Taschentücher. Als ich das Kino verließ, konnte ich erst gar nicht sprechen.
Denn Bad 25 ist zuallererst natürlich eine bewegende Hommage an den Künstler Michael Jackson – aber auch ein Film über Freundschaft, über Kreativität, über Kunst, über die Achtziger und die Neunziger, über das, was manche von uns mal waren, Mädchen mit Big Hair und Schulterpolstern und Männer in bunten Strickpullovern. Es ist auch ein Film über das Anders-Sein. Darüber, dass es ok ist, verrückt zu sein. Weil nur ein Getriebener zum Genie wird.